116 V. 2. Die Kriegsgefahr.
endlich, gemeinsam mit dem Österreicher: die deutschen Mächte müßten
dem Diwan ihren Beistand entziehen.) Diese Drohung wirkte. Nur
vier Tage nachher (30. Jan. 1841) richteten die Gesandten der vier
Mächte an Shekib Effendi eine gemeinsame Note, welche den Sultan
dringend aufforderte, dem Pascha die erbliche Herrschaft über Agypten
zu gewähren und dergestalt den Streit beizulegen.)
„Unser großes Geschäft ist also nahezu beendigt“, schrieb Palmerston
erleichtert; „noch bleibt uns übrig der Krieg gegen den bewaffneten
Frieden.““*) Auch dieser Sorge sollten die vier Mächte bald enthoben
werden. Aufs eifrigste bemühte sich König Leopold, der im Februar
nochmals nach London kam, den Franzosen eine goldene Brücke zu bauen.
Da Gusjzot mittlerweile die Gewißheit gewonnen hatte, daß die Kammern
die Befestigung von Paris genehmigen würden, so durfte er jetzt unbe-
denklich dem Protokolle zustimmen, das zwischen den vier Mächten am
5. März vereinbart wurde und dem Pascha die erbliche Herrschaft über
Agypten sowie den lebenslänglichen Besitz von Akkon beließ.f) Nun
galt es nur noch, mit Frankreich gemeinsam einen Vertrag über die
orientalischen Dinge abzuschließen, um die wiederhergestellte Eintracht
Europas feierlich zu bekunden. Viel Neues konnte dies Abkommen aller-
dings nicht bringen; denn obwohl alle Staatsmänner mit dem Ernste
der Auguren die Unantastbarkeit der Türkei als „ein politisches Axiom“
bezeichneten, so wollte doch weder Frankreich noch Rußland eine förmliche
Bürgschaft für den Bestand dieses Reichs übernehmen. Mit naiver
Dreistigkeit bemerkte Brunnow, die häßlichsten Erinnerungen der mosko-
witischen Politik wieder wach rufend: solche Bürgschaften seien nutzlos; das
habe man seiner Zeit bei der Teilung Polens gesehen. )Der soge-
nannte Meerengen-Vertrag, der am 15. Juli 1841 zwischen der Türkei
und den vier Mächten vereinbart, gleich darauf auch von Frankreich an-
genommen wurde, enthielt demnach, außer den Verabredungen über Mehe-
med Ali, nur noch jene Zusage, welche der Petersburger Hof gleich beim
Beginne der Verwicklung gegeben hatte: beide Meerengen, Bosporus
und Dardanellen, sollten fortan in Friedenszeiten den Kriegsschiffen aller
Nationen verschlossen bleiben. Somit ward der gefürchtete Vertrag von
Hunkiar-Iskelessi noch kurz vor seinem Ablauf geopfert, und mit erha-
benem Stolze priesen die russischen Diplomaten diesen neuen Beweis der
versöhnlichen Großmut ihres Zaren.
*) Bülows Bericht, 26. Jan. 1841.
**) Note der vier Mächte an Shekib Effendi, 30. Jan. 1841.
*#) Palmerston an Bülow, 1. Febr. 1841.
) Protokoll der vier Mächte, 5. März; Weisung Guizots an Humann in Berlin,
20. März 1841.
#) Nesselrode an Meyendorff, 10. Dez. a. St. 1840.
##t) Bülows Bericht, 23. Febr. 1841.