Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Westfälische Landgemeindeordnung. Schön und Rochow. 159 
weis beizubringen, vor dem Könige als einen gemeinschädlichen Staats— 
diener. In den Berliner Regierungskreisen äußerte man schon: wenn 
Rochow nur einen Funken von Klugheit besäße, so müßte er diesen 
Gegner fordern.)) Beide Feinde zeigten sich gleich herrschsüchtig, beide 
gleich wenig wählerisch in den Mitteln: während Schöns liberale Gefolg- 
schaft den Minister in den Blättern der Opposition schmähte, ließ Rochow, 
wie die Ostpreußen bald erfuhren?*), in seinem Bureau gehässige Artikel 
gegen den Oberpräsidenten schmieden und wußte manche davon sogar in 
der Augsburger und der Leipziger Allgemeinen Zeitung unterzubringen. 
Trotz dieses offenkundigen Skandales wünschte der beiden Gegnern 
gleich wohlgeneigte Monarch, beide im Amte zu halten; denn im stolzen 
Gefühle seiner Selbstherrlichkeit legte er auf die Streitigkeiten seiner Diener 
gar keinen Wert. Auch glaubte er keineswegs, daß eine grundsätzliche 
Feindschaft die beiden trennte. Hatte er doch als Kronprinz jahrelang mit 
beiden friedlich in der landständischen Kommission zusammen gearbeitet und 
von Rochow soeben noch Ratschläge für die Fortbildung der Ständeverfas- 
sung empfangen. Zwischen dem Könige und seinem alten ostpreußischen 
Freunde hatte sich nach und nach ein gefährliches gegenseitiges Mißverständ- 
nis gebildet, wie es nur zwischen so seltsamen Charakteren entstehen konnte. 
Da Schön alle, die nicht seines Sinnes waren, als „Männer der finsteren 
Zeit“ tief verachtete, so glaubte er wirklich, sein geliebter König würde nur 
durch die reaktionären Hofleute verhindert, die konstitutionellen Pläne aus- 
zuführen, die er doch in solcher Weise gar nicht hegte. Friedrich Wilhelm 
seinerseits wähnte, „der Schön“ lasse sich nur zuweilen „durch seinen jüdi- 
schen Freundepöbel“ zu liberalen Außerungen verleiten, die in Wahrheit die 
Herzensgesinnung des Kantianers wiedergaben. Wieder und wieder sendete 
er dem Freunde herzliche Briefe und mahnte ihn zur Versöhnlichkeit: das 
Minimissimum, das ich zu fordern berechtigt bin, ist eine Explikation mit 
Rochow, den Sie ungerecht beschuldigt haben; Ihnen fehlt die Liebe, die 
auch mit Gegnern für das Ganze zusammenwirkt. “) Gewandt eingehend 
auf diese ihm sonst wenig geläufige biblische Sprache erwiderte Schön: 
der Spruch „Und hätte ich die Liebe nicht“ stehe mit Flammenschrift in 
seinem Herzen. Dem Minister aber wollte er seine Hand nicht bieten. 
Vergeblich hielt ihm sein Landsmann Boyen in einem gemütlichen Schreiben 
vor: die Versöhnung mit Rochow sei zugleich die Versöhnung mit dem 
Monarchen, vergeblich versuchte des Königs vertrauter Adjutant, Oberst 
Below, einer der ersten Grundherren der Provinz, im Verein mit einigen 
anderen ostpreußischen Edelleuten den Erzürnten zu überreden.##) 
  
*) Nach Kühnes Aufzeichnungen. 
7*) Brünneck an Thile, 7. März; Oberst v. Below an den König, 7. April 1841. 
***) König Friedrich Wilhelm an Schön, 23. Febr. 1841. 
f) Boyen an Schön, 25. Aoril. Belows Bericht an den König, 24. März 1841.
	        
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