Schöns Entlassung. 161
Rochow aber versuchte anfangs den Handel mit Stillschweigen zu über—
gehen und ward erst durch einen ausdrücklichen Befehl des erzürnten
Monarchen gezwungen, die Untersuchung anzuordnen, die mit Hakes Ver—
urteilung endigte.“) Seitdem war der König über die Parteilichkeit des
Ministers ebenso ungehalten wie über die geheime Opposition des Ober-
präsidenten. So schleppte sich der Streit noch durch Monate dahin. Schön
triumphierte und versicherte dreist, in seiner treuen Provinz gäbe es keine
Parteien, allein die winzige Partei des Verbrechers Hake ausgenommen.
In Wahrheit war das Ordensland tief aufgewühlt, fast so erbittert wie vor
zweihundert Jahren, als die edlen freien Preußen den märkischen De-
spotismus bekämpften. Unerschütterlich fest stand die Sage, daß der König
bei der Krönung konstitutionelle Zusagen gegeben und sie nachher zurück-
genommen hätte; nichts aber verzeiht dieser kräftige Stamm schwerer als
die Unbeständigkeit. Als Schön im Oktober den Sitzungen des Staatsrats
beiwohnte, wollten ihm die Berliner Liberalen ein Ständchen bringen, was
er nur mit Mühe verhinderte; bei seiner Heimkehr begrüßten ihn seine
Königsberger Anhänger mit beflaggten Schiffen und erleuchteten Fenstern als
den Helden des Landes, und die Königsberger Polizei meldete dem Ministe-
rium beschwichtigend: allgemein sei die Teilnahme doch nicht gewesen.)
So stand es bereits: die ostpreußischen Polizeibehörden erstatteten
Bericht über ihren eigenen Oberpräsidenten! Daß solche Zustände nicht
dauern konnten, mußte schließlich auch dem langmütigen Monarchen ein-
leuchten. Als Schön im Januar 1842 zum dritten Male seinen Abschied
erbat, nahm sich der König fast drei Monate Bedenkzeit und genehmigte
endlich das Gesuch durch Kabinettsordre vom 31. März. Aber diese Ordre
blieb tiefgeheim, auch der Zeitpunkt des Austritts noch vorbehalten, und
weder der Oberpräsident noch die wenigen anderen Eingeweihten hielten
die Entscheidung für unwiderruflich; Minister Alvensleben klagte bitter:
„das Vertrauen des Königs zu Schön besteht nach wie vor.““) Noch im
Mai reiste Schön, schwerlich ganz ohne Hoffnung, wieder nach Berlin zu
den Verhandlungen des Staatsrats. Dort traf ihn die erschreckende Nach-
richt, daß seine Abhandlung: Woher und Wohin? soeben auf dem Bücher-
markte erschienen sei. Die Schrift war, wie sich kaum anders erwarten
ließ, bei einem der fünf Freunde, denen Schön sie anvertraut, von un-
befugter Hand abgeschrieben und einem radikalen Buchhändler verraten
worden. f) Der Diogenes der deutschen Demagogen, der Flüchtling Georg
Fein, Hambacher Angedenkens#,, ließ sie alsdann in seinem sicheren Straß-
*) Schöns Bericht an Thile, 6C. Mai; König Friedrich Wilhelm an Thile, 10. Mai
Rochows Bericht an den König, 13. Mai 1841.
*) Königsberger Polizeibericht, 25. Okt. 1841.
* #) Alvensleben an Thile, 22. Mai 1842.
#) Rochows Berichte an den König, 21. Mai, 9. Juni 1842.
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v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 11