Graf Arnim Minister des Inneren. 167
mußte selbst sein Nachfolger Bötticher anerkennen?), und in seinem streit-
baren Wesen zeigten sich scharf ausgeprägt viele Charakterzüge des ost-
preußischen Volkstums, nur leider nicht der schönste: die Wahrhaftigkeit.
Er zog sich nach seinem stillen Arnau im Pregeltale zurück, gründete
den landwirtschaftlichen Zentralverein, dessen Vorsitz er übernahm, und
war auch sonst vielfach für gemeinnützige Zwecke tätig. Noch lebhafter
beschäftigte ihn die Sorge um den eigenen Nachruhm: unablässig bemühte
er sich, bald junge Gelehrte ganz mit seinem Geiste zu durchtränken, bald
älteren Historikern jene kunstvollen Geschichtsdarstellungen zu übermitteln,
die er sich zu seiner eigenen Verherrlichung ersonnen und dann so un-
zähligemal wiedererzählt hatte, daß er schließlich selbst daran glaubte.
Zu einer großen politischen Wirksamkeit gelangte er nie mehr, obgleich
der König ihm die persönliche Freundschaft mit rührender Treue be-
wahrte. —
An Rochows Stelle wurde Graf Arnim aus Posen berufen. Man
begrüßte ihn mit großen Erwartungen; man glaubte allgemein, der kräf-
tige, noch nicht vierzigjährige Mann, der sich auch sofort mit jungen
Räten umgab, würde die gesamte Richtung des Kabinetts bestimmen.
Ein Neffe Steins hatte Arnim seines aristokratischen Stolzes nie ein
Hehl; er nannte es einen unschätzbaren Vorzug, daß sein Haus eine der
Stätten sei, wo Recht gesprochen, wo das Unrecht gestraft, wo die Ord-
nung geschützt würde. An den englischen Moden und Passionen, welche
damals in die vornehme Welt Deutschlands und Österreichs einzudringen
begannen, fand der Graf viel Freude; seine hohe, etwas steife, stets ele-
gant gekleidete Gestalt erinnerte mehr an einen Lord als an den Sohn
eines alten deutschen Kriegergeschlechtes; nicht ohne Herablassung schaute
der blonde Kopf zwischen den mächtigen Vatermördern — wie man die
neuen Hemdkragen nannte — auf die gewöhnlichen Sterblichen hernieder.
Aber gleich seinem großen Oheim war er ganz durchdrungen von dem
Grundsatze des Gleichgewichts der Rechte und der Pflichten; er verlangte,
daß der preußische Adel sich eine Machtstellung durch politische Arbeit
verdiene, und wünschte dringend baldige Berufung eines Reichstags auf
den vorhandenen ständischen Grundlagen. Dem Könige konnten solche
Gedanken, schon weil sie so einfach und zweckmäßig waren, unmöglich
zusagen; in seinem selbstherrlichen Stolze hatte er es indes gar nicht
für nötig gehalten, sich mit dem neuen Minister, der ihm persönlich ge-
fiel und ja doch nur Werkzeug sein sollte, im voraus zu verständigen.
Auch in ihren religiösen Anschauungen stimmten die beiden nicht zu-
sammen, da Arnim zwar ein gläubiger Christ, doch jeder Art des Pietis-
mus feind war und die alte staatskirchliche Politik Altensteins zwar be-
hutsam weiterführen, doch keineswegs aufgeben wollte. Arnim übernahm
*) Böttichers Bericht an Thile, 2. Juni 1844.