Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Das Domfest. 175 
Unter den namhaften Gästen war wohl nur einer, den die allgemeine 
Glückseligkeit kalt ließ: Fürst Metternich. Der stand, derweil der König redete, 
in dessen nächster Nähe und zog einen langen Kamm aus der Tasche, um 
sich bedächtiglich sein gelichtetes Haar vom Hinterkopf nach vorn zu strähnen. 
Nicht ohne Ironie betrachtete er jetzt seinen königlichen Verehrer, der 
alles in Unruhe bringe und immer sich selber ins Licht zu stellen suche; 
vor Vertrauten bespöttelte er diese Siege auf Schlachtfeldern, wo kein Blut 
vergossen würde, und meinte, man wisse nicht, ob der hohe Herr sich selbst 
oder andere mehr berausche. Leider lag ein Körnlein Wahrheit in diesem 
boshaften Urteile. Friedrich Wilhelms Reden waren, wie der Bildhauer 
Rietschel mit kongenialem Verständnis nachfühlte, echte Kunstwerke, nicht 
gemacht, sondern geworden, unmittelbare Ergießungen seines bewegten 
Inneren und eben darum, wie der Geist des Redners selbst, ohne klaren 
politischen Inhalt, jeder Deutung und Mißdeutung fähig. Gründlicher 
als hier in Köln war der königliche Redner noch niemals mißverstanden 
worden. Der junge Poet Robert Prutz sang ihm zu: 
Herr, die Geschichte drängt, die Räder rollen, 
Und wollt' es Gott, Gott selber hielt sie nicht ... 
So sprich das Wort zum zweiten Dombaufeste, 
Sprich aus das Wort: Konstitution! 
Und wenn auch nur ein kleiner Teil seiner Hörer so bestimmte liberale 
Wünsche hegen mochte, so glaubten doch alle, daß er mit seinen verhei— 
ßungsvollen Worten eine ganz neue Ordnung der Dinge ankündigen 
wolle, eine Zeit der Erfüllung, die dem Freiheits- und Einheitsdrange der 
Nation endlich gerecht werden müsse. Er aber meinte, das einige, den 
Frieden unblutig erzwingende Deutschland hätte sich ja schon vor zwei 
Jahren vor aller Welt bewährt, und dachte weder den Bundestag noch 
die Souveränität der kleinen Kronen jemals anzutasten. 
Sobald die Nation den wahren Sinn der königlichen Worte zu er— 
raten begann, mußte der patriotische Hoffnungsrausch der Festtage ver— 
fliegen. Aber die Begeisterung für den Dombau hielt an. Rascher, als 
man zu hoffen gewagt, schritt die Arbeit vorwärts. Meister Zwirners 
Bauhütte wurde eine hohe Schule der bildenden Künste für unseren 
Westen; Männer wie Statz und F. Schmidt gingen aus ihr hervor, 
große Talente, die das Werk der Vorfahren „nach Zirkels Kunst und 
Gerechtigkeit“ weiterführten und doch die überlieferten Formen, den Ge— 
fühlen des neuen Jahrhunderts gemäß, leise umbildeten; nur in den 
massenhaften Skulpturwerken des Bildhauers Fuchs verriet sich oft 
die Flüchtigkeit überhasteten Schaffens. Die reichsten Spenden gab wie 
billig das Rheinland, selbst die Studenten in Bonn hatten einen akade— 
mischen Domverein gebildet; aber auch aus Berlin und anderen entlegenen 
Städten kamen reiche Beiträge. Unter den Eifrigsten war König Ludwig 
von Bayern. Er sprach die Hoffnung aus, daß „seiner Bayern Mitwirkung“
	        
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