Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Berufung der Vereinigten Ausschüsse. 183 
Ausschüsse ist eine Entwicklung der ständischen Institutionen, indem sie den 
ständischen Beirat der einzelnen Provinzen durch ein Element der Ein— 
heit ergänzt. Kein Wunder also, daß die Regierung ihrem Lose, über— 
all mißverstanden zu werden, auch diesmal verfiel. Fürst Solms-Lich, der 
begeisterte Verherrlicher der ständischen Monarchie, war zum Marschall 
der Vereinigten Ausschüsse ausersehen und erschien während der rhei— 
nischen Festtage auf dem Stolzenfels, um sich nähere Weisungen zu er— 
bitten. Wie erschrak der König, als dieser Getreue, der doch „gewiß kein 
Liberaler“ war, ihm in aller Unschuld gestand: man glaube allgemein, 
die Krone beabsichtige, vorsichtig zum konstitutionellen Systeme überzugehen; 
da scheine es doch ratsamer den Ausschüssen sogleich erweiterte Befugnisse 
zu gewähren: Petitionsrecht, Einsicht in den Staatshaushalt, Einberufung 
aller drei Jahre, beratende Mitwirkung bei den Landesgesetzen — und 
zugleich ausdrücklich zu erklären, die ständische Verfassung habe nunmehr 
ihren Schlußstein erhalten; sonst würden sich widerwärtige Adreßdebatten 
in den Ausschüssen kaum vermeiden lassen.) Auch Metternich, der auf 
dem rheinischen Schlosse ebenfalls befragt wurde, meinte bedenklich, man 
habe sich auf eine schiefe Ebene gewagt. Der König aber erwiderte, die 
Ausschüsse sollten weder selbst Reichsstände sein noch den Keim eines 
künftigen Reichstags bilden. Um alle Mißverständnisse abzuschneiden, be- 
auftragte er noch unterwegs den General Radowitz mit der Ausarbei- 
tung eines Manifestes, das den Ausschüssen bei ihrer Eröffnung vor- 
gelesen werden sollte. 
Gleich nach seiner Heimkehr, in den ersten Tagen des Oktobers, 
ließ er die Minister zusammentreten, um über diese Bekanntmachung zu 
beraten. Radowitzs Entwurf war sehr doktrinär gehalten. Er sagte 
über die Verfassungspläne des Königs nichts Bestimmtes, sondern bekun- 
dete lediglich, daß die Theoretiker der ständischen Monarchie nur wußten, 
was sie nicht wollten. „Wir werden“, hieß es da, „die deutsche fürstliche 
Herrschaft in diesem Reiche nicht in eine konstitutionelle Souveränität 
verwandeln, die königliche Herrschaft nicht der Herrschaft der Majoritäten 
unterwerfen.“ Der Ton klang so feindselig gegen alles konstitutionelle 
Leben, daß selbst General Thile meinte: wenn man also rede, dann könne 
man mit den süddeutschen Staaten nicht mehr im Frieden leben, selbst 
den Zollverein kaum noch aufrecht halten.“) Auch die anderen Minister 
fanden das Manifest bedenklich. Nur der Prinz von Preußen verlangte, 
obwohl auch ihn der Radowitzsche Entwurf nicht befriedigte, in lebhafter 
Rede, daß der Monarch jetzt zu den Preußen reden und deutlich angeben 
solle, ob die ständische Gesetzgebung endlich abgeschlossen sei, oder ob noch 
weitere Schritte bevorstünden. Im Volke, rief er aus, bestehen zwei Par- 
  
*) Bodelschwingh, P. M. zu der befohlenen Beratung über die Vereinigten Aus- 
schüsse, 28. Sept. 1842. 
*“) Radowitz, Entwurf zu einem Manifest an den Ausschußtag. Sept. 1842.
	        
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