198 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
schaft seine Weisungen empfing, sonst aber getreulich seinen offen einge—
standenen Grundsatz befolgte: das öffentliche Aussprechen einer Meinung
ist immer ein Wagnis; dazu endlich noch das etwas liberaler gefärbte
Frankfurter Journal, das sich mit der Oberpostamts-Zeitung durch einen
förmlichen Vertrag dahin vereinbart hatte, daß sie einander gegenseitig
weder bekämpfen noch auch nur erwähnen wollten.
In solcher Lage mußten die Erleichterungen, welche König Friedrich
Wilhelm der Presse verhieß, allgemeine Freude erregen. Der liberale
Rheinländer L. Buhl begrüßte die kommende bessere Zeit sogleich mit
einer begeisterten Schrift über „den Beruf der preußischen Presse“. Als
eine der ersten Früchte der neuen Freiheit erschien das Buch von E. von
Bülow-Cummerow „Preußen, seine Verfassung und Verwaltung“, das
einen damals noch beispiellosen Absatz fand. Dieser alte rührige Vor-
kämpfer des Großgrundbesitzes, der einst den Kreisordnungs-Plänen Har-
denbergs so lebhaft entgegengetreten war,) hatte inzwischen die ritter-
schaftliche Bank für Pommern gegründet und wollte auch jetzt noch die alt-
ständischen Institutionen des flachen Landes, gutsherrliche Polizei und
Patrimonialgerichtsbarkeit aufrechthalten. Um so mehr mußte es über-
raschen, daß ein so konservativer Mann unumwunden aussprach: seit dem
Thronwechsel befinde sich das Land in einer Krisis, die nur durch rasche
Lösung der Verfassungsfrage beendigt werden könne. Er forderte zum
mindesten regelmäßige Berufung der Vereinigten Ausschüsse zur Prüfung
des Staatshaushalts und Bewilligung neuer Steuern. Mit Selbstgefühl
sprach er von Preußens führender Stellung im Deutschen Bunde und sagte
schon dreist: Osterreich gehöre eigentlich gar nicht zu Deutschland, wohl aber
Holstein. Sein scharfer, oftmals ungerechter Tadel wider die Finanzver-
waltung, namentlich wider die Domänenverkäufe empörte das Beamten-
tum; Kühne schrieb dawider geharnischte Artikel in der Staatszeitung.
Der König aber erwies dem unruhigen alten Herrn sein Wohlwollen;
denn Angriffe des Landadels auf die Geheimen Räte kränkten ihn nicht,
und noch wiegte er sich in dem hoffnungsvollen Wahne, daß er selber
jeden Widerspruch ertragen könne.
Am wenigsten bemerkte man in Berlin von der freieren Bewegung
der Presse. Die Behörden zeigten sich hier besonders ängstlich; eine neue
Zeitschrift L. Buhls, der Patriot, wurde schon nachwenigen Monatenverboten,
obgleich sie kaum über die Durchschnittsmeinung des aufgeklärten Liberalis=
mus hinausgegangen war. Die Vossische Zeitung begann schüchtern einige
Leitartikel zu bringen, während die Spenersche ihre gewohnten Erörte-
rungen über Straßenpflaster und Gaslaternen treufleißig fortsetzte. Noch
war hier kein Boden für eine kräftige Publizistik; der politische Sinn der
höheren Stände zeigte sich allein in der boshaften persönlichen Klatscherei
*) S. o. III. 115.