Regierungsblätter. 203
nicht anders erwarten ließ, Zensurfreiheit für das Blatt forderte, da trug
man Bedenken das Bundesgesetz zu übertreten, obgleich doch schon im
letzten Jahrzehnt die durch Pertz geleitete amtliche Hannoversche Zeitung,
unbehelligt vom Bundestage, lange ohne Zensur erschienen war. Die Ver—
handlungen zerschlugen sich; auch was später noch von ähnlichen Plänen
auftauchte scheiterte an bureaukratischen Bedenklichkeiten. Man begnügte
sich zunächst mit der Unterstützung der Literarischen Zeitung, die unter der
Leitung von K. H. Brandes schon seit einigen Jahren bestand, und bald hieß
es in der gelehrten Welt, leider nicht ohne Grund: wer an diesem Blatte mit
arbeite, könne am sichersten auf Beförderung rechnen. Die Zeitung schrieb
maßvoll, „in festem Vertrauen auf die unbesiegliche und ewige Jugend des
christlich-deutschen Geistes“, und sagte wider die Flachheit der modischen
Aufklärer manches treffende Wort; aber ein begeisterndes Ideal vermochte
sie der liberalen Freiheitsschwärmerei nicht entgegenzustellen. Ihr schwer—
fälliger Doktrinarismus konnte weder, wie einst das Politische Wochen—
blatt, den legitimistischen Kreuzfahrersinn aufregen, noch den naturwüch—
sigen monarchischen Instinkt des Volks, den Stolz auf das eiserne Kreuz
und die schwarzweißen Fahnen wachrufen.
Noch weniger bewährte sich nachher der Schwabe Victor Aimé Huber,
der auf Radowitzs Empfehlung berufen wurde#), auch eines von den vielen
Talenten, welche der König an falscher Stelle verbrauchte. Gedankenreich,
ernst, tief-fromm, hatte Huber früher als die meisten Zeitgenossen den
sozialen Hintergrund des modernen Parteiwesens, den Zusammenhang der
liberalen Doktrin mit den Interessen des beweglichen Kapitals durchschaut.
Aber die fruchtbaren sozialpolitischen Ideen, die ihm späterhin verdienten
Ruhm schaffen sollten, waren noch nicht zur Reife gelangt, als er nach
Berlin kam; er kannte die preußischen Zustände wenig und fühlte sich in
der Polemik gegen den Liberalismus schon darum unsicher, weil er selbst
die regelmäßige Berufung eines ständisch gegliederten Reichstags wünschte.
Auf dem Berliner Katheder hatte der Unbeholfene ebenso wenig Erfolg,
wie mit seiner Zeitschrift Janus, die vom Könige, anfangs sogar ohne
Vorwissen der Minister, freigebig unterstützt wurde, auch von Leo, Gerlach,
Stahl einige Beiträge empfing und gleichwohl nur einen winzigen Leser-
kreis gewann. In Königsberg gab der gelehrte Statistiker F. W. Schubert,
der dem gemäßigten Liberalismus nahe stand, eine konservative Zeitung
heraus; auf den Westen sollte Professor Bercht, ein wohlmeinender, einst
als Demagog verfolgter Patriot, durch seinen Rheinischen Beobachter ein-
wirken. Doch beide Regierungsblätter gediehen nicht, weil das hohe
Beamtentum alles Zeitungstreiben tief verachtete und sie weder mit
Beiträgen noch mit Geldmitteln genugsam unterstützte.
So blieb denn diese Regierung, die so hoch über ihrem Volke zu
*7) Thiles Bericht an den König, 6. April 1843.