Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Neues Museum. Berliner Dom. 217 
von alledem schließlich zu stande kam, war doch nur ein Bruchteil und 
wenig erfreulich. In Schinkels altem und Stülers neuem Museum spiegelte 
sich der Charakter der Regierungen des dritten und des vierten Friedrich 
Wilhelm treulich wieder. Dort einfache Würde, ruhige Hoheit; hier ein 
anspruchsvoller alexandrinischer Prachtbau, der dem Auge nirgends ein 
Gesamtbild darbot, im Innern eine unübersehbare Fülle köstlicher Samm— 
lungen, die Räume trotz mannigfacher Einzelschönheiten bunt, unruhig, 
überladen, das Ganze mehr gelehrt als schön und in der Anlage so will— 
kürlich, daß unschuldige Beschauer das riesige Treppenhaus mit seinen 
Wandgemälden und Gipskolossen nicht für ein dienendes Glied, sondern 
für den Mittelpunkt des Gebäudes halten mußten. Der neue General- 
direktor, der strengultramontane Westfale Ignaz v. Olfers war ein ge- 
lehrter Kenner der kirchlichen Altertümer und sorgte unter des Königs 
unmittelbarer Leitung eifrig für die Vermehrung der Sammlungen; für 
die Kunst der Lebenden zeigte er kein Verständnis. Noch trauriger 
mißriet das zweite große Bauunternehmen des Königs. Er faßte den 
glücklichen Gedanken, an der Stelle des unscheinbaren friderizianischen 
Domes im Lustgarten eine reiche Kathedrale zu errichten, das prächtigste 
Gotteshaus der festländischen Protestanten, zum würdigen Abschluß des 
schönen Straßenzuges vom Brandenburger Tore her; doch die Jahre 
vergingen über Entwürfen und Gegenentwürfen, und zuletzt ward nichts 
vollendet als der kostspielige, in das Bett des Flusses hineingeschobene 
Unterbau der Chorabschlüsse, so daß die Berliner höhnten, hier wachse 
das teuerste Gras von Europa. 
Es war eine herbe Enttäuschung; denn dieser Dom sollte die Krone 
werden über den 300 Kirchen, welche der fromme Monarch in zwei Jahr- 
zehnten teils wiederherstellte, teils neu baute. Aus dem Gemäuer der 
römischen Basilika zu Trier erhob sich eine neue evangelische Kirche; der 
karolingische Kuppelbau im Aachener Münster entstand wieder in seiner 
alten Pracht; nahe seinem geliebten Erdmannsdorf, in dem Föhrenwalde 
auf halber Höhe der Schneekoppe, ließ der König das uralte romanische 
Holzkirchlein Wang aus Norwegen wieder aufrichten. Seine Neubauten 
verleugneten nirgends den feinen Geschmack des Bauherrn, indes erschienen 
die meisten nur wie leicht hingeworfene Zeichnungen eines geistreichen 
Dilettanten, ohne Kraft und künstlerische Durchbildung; die dürftigen Bet- 
säle im Inneren entsprachen dem zierlichen Außeren nur selten, während 
Schinkel als guter Protestant sich die evangelischen Gotteshäuser immer 
als Innenbauten gedacht hatte. Die eleganten kleinen Kirchen des neuen 
Berlins verschwanden fast zwischen den hohen Häusermassen, und eigentlich 
nur Sollers katholische Michaeliskirche erweckte den Eindruck eines bedeu- 
tenden Architekturbildes, wie sie so stattlich dastand an dem breiten Hafen 
des Engelbeckens, jenseits des Wassers der heitere Terrakottenbau von 
St. Thomas und die düstere Klosterburg des Diakonissenhauses Bethanien.
	        
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