218 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
Das Mißgeschick des Dombaus wurde verhängnisvoll auch für die
Entwicklung der Berliner Malerei. Mit hellem Frohlocken folgte Peter
Cornelius, nachdem er mit seinem wittelsbachischen Gönner gebrochen
hatte, dem Rufe Friedrich Wilhelms; er war auserwählt, die monumentale
Malerei an der Spree einzubürgern, die Königsgruft der Hohenzollern,
den Campo Santo, der sich neben dem Dome erheben sollte, mit biblischen
Fresken auszuschmücken. Hoch begeistert, wie der König selbst, für ein
allgemeines evangelisches Christentum, dachte er hier dasshristliche Epos,
das er in der Münchener Ludwigskirche nur teilweis hatte vollenden können,
zum herrlichen Abschluß zu bringen, den apokalyptischen Sagenkreis von den
letzten Dingen, die geheimnisvolle Welt, wo Irdisches und Ewiges sich be-
rühren, in grandiosen, jedes Christenherz erschütternden Bildern darzustellen.
Da ward ihm die Höllenpein, die furchtbarste für einen schöpferischen Geist,
Jahr für Jahr nur planen und planen zu müssen, denn die Wände, die
er schmücken sollte, blieben unvollendet. Wie konnte es ihn trösten, daß
ihm vor dem Brandenburger Tore, neben der lieblichen Villa seines
Freundes, des Grafen Athanasius Raczynski ein würdiges Künstlerheim
bereitet wurde? daß der König ihn mit Gnaden überschüttete, bei allen
Prunkgeschenken und Denkmünzen dieser festlustigen Jahre nach seinem
Griffel verlangte? Der jugendliche Schaffensdrang des Siebzigjährigen
lechzte nach dem einen, was ihm jetzt das Leben war. Und da nun wieder
Jahre um Jahre in vergeblichem Harren dahingingen, so zeichnete er still
entsagend an seinen riesigen Kartons weiter, ohne Hoffnung, nur um der
Stimme des eigenen Genius zu gehorchen. Anfangs mit hohen Ehren
aufgenommen, lernte er bald den eigentümlichen demokratischen Geist des
Berliner Lebens kennen, der im Grunde gar nichts gelten läßt und zwar
junge Talente heilsam stacheln, stolze, gereifte Naturen aber leicht ver-
stimmen kann. Auch die wohlweisen Kritiker der Hauptstadt fühlten schnell,
daß dieser herrische kleine Mann mit den streng geschlossenen Lippen, den
stechenden dunklen Augen unter der schwarzen Perücke nicht ihresgleichen
war, und sie rächten sich nach ihrer Weise durch hämische Angriffe.
Unter allen den mannigfachen Gestalten menschlicher Beschränktheit
erscheint keine gedankenreichen Köpfen so unleidlich wie die Dummheit, die
alles am besten weiß; und da diese Form der Dummheit in Berlin vor-
herrschte, so wurde die ungemütliche Stadt dem großen Künstler verleidet.
Hier fand er weder die schönheitsfrohe Welt seines geliebten Roms, noch
die fröhliche Zecherlust der Münchener Kumpanei. Angeekelt durch die
Berliner Aufklärung kehrte er im Alter zurück zu strengkatholischen An-
schauungen, die er in früheren Tagen überwunden hatte. Unterdessen be-
gann die Geschichte über ihn hinwegzuschreiten; die verwandelte Zeit ver-
langte mit Recht von den Malern Farbenglanz und Naturwahrheit. Cor-
nelius selbst mußte bezweifeln, ob sich unter dem jungen Geschlechte noch
Künstler fänden, die seine Kartons je ausführen könnten oder wollten. Also