Cornelius. Berliner Musik. 219
beschied ihm ein hartes Schicksal, bei voller Schaffenskraft den eigenen
Ruhm zu überleben, und diese Berliner Jahre, die ihm den Lohn für
ein reiches Künstlerwirken hatten bringen sollen, gestalteten sich zu einer
tragischen Leidenszeit.
Ebenso wenig konnte Felix Mendelssohn-Bartholdy, der alsbald vom
Könige glänzende Anträge erhielt, sich an der Spree wieder heimisch fühlen.
Er hatte sich schon vor Jahren der Vaterstadt entfremdet, weil sie ihm die
Direktion der Singakademie nicht anvertrauen wollte, und seitdem, durch
die geniale Leitung der Gewandhauskonzerte, Leipzig zum Mittelpunkte
des idealen deutschen Musiklebens erhoben. Zweifelnd, ungern kehrte er
heim; die dankbare, harmlos empfängliche Hörerschaft, die ihm in Sachsen
und auf den rheinischen Musikfesten zugejauchzt hatte, konnte er in der
Stadt der kritischen Überbildung nicht wiederfinden. Nach seinem guten
Rechte verlangte er ein Orchester und einen Chor, die sich seiner Herr-
schaft fügen sollten; gleichwohl ward ihm kein bestimmter Wirkungskreis
angewiesen, da der König zunächst nur planlos und ungeduldig, große
Namen für Berlin gewinnen wollte; und so geriet der Vielgeliebte und
Vielverwöhnte, den man überall sonst auf den Händen trug, bald in
widerwärtige Händel mit der Amtseifersucht der königlichen Musikbe-
hörden. Schon nach drei Jahren zog er sich verstimmt wieder in seine
friedlichere Leipziger Tätigkeit zurück.
Mittlerweile war Spontini dem Volkshasse erlegen, der sich seit Jahren
gegen den herrischen Fremdling angesammelt hatte. Eine leidenschaftliche
öffentliche Antwort auf die Angriffe Rellstabs und anderer Kritiker bewirkte,
daß er wegen Majestätsbeleidigung verfolgt wurde. Der gütige Monarch
schlug die Untersuchung nieder, weil er fühlte, daß der heißblütige, des
Deutschen kaum mächtige Italiener den Sinn seiner Worte nicht rechterwogen
hatte; der Groll des Publikums ließ sich aber jetzt nicht mehr bändigen. Ein
pöbelhafter Theaterskandal verjagte Spontini von dem Pulte, auf dem er so
lange als unumschränkter Herrscher gethront hatte. An seine Stelle wurde
Giacomo Meyerbeer berufen. Dem Könige war es eine frohe Genugtuung,
die großen Musiker, die Berlin unter seinen Söhnen besaß, beide zugleich an
seinem Hofe zu sehen; er bedachte nur nicht, daß diese beiden grundverschiede-
nen Naturen, die sich gerade durch das Bewußtsein der gemeinsamen Ab-
stammung voneinander abgestoßen fühlten, unmöglich zusammenwirken
konnten. Meyerbeer leitete eine Zeitlang die Oper mit großem Erfolge, er
verherrlichte alle Hoffeste durch prächtige Märsche und Tänze, und da er auf
seine Weise immer ein stolzer Preuße blieb, so komponierte er zur Wiederer-
öffnung des eingeäscherten Opernhauses das Feldlager in Schlesien, die
einzige nationale seiner Opern, ein Werk voll Feuer und Leben, in dem
die kriegerische Begeisterung des friderizianischen Zeitalters kräftig wieder-
hallte. In der Stadt kannte alle Welt den freundlichen kleinen Mann,
der an jedem Mittag mit seinem roten Regenschirm im Tiergarten spa-