Tieck und Rückert. 221
junger Poet, freuten sich an seinem seelenvollen Gespräche und dem
wunderbaren Blicke der dunklen Dichteraugen.
Nur für dramaturgische Aufgaben nahm man seine Kraft noch mehrmals
in Anspruch. Er richtete die Antigone des Sophokles für die Bühne ein,
Mendelssohn setzte die erhabenen Chorgesänge in Musik, die Aufführung ge-
lang über alle Erwartung, und in seiner dankbaren Freudeließ der König eine
prächtige Medaille prägen, welche die Antigone mit der Urne und dazu über
griechischen Versen die Bilder ihrer beiden Wiedererwecker zeigte. Auch Shake-
speares Sommernachtstraum erweckte, wie ihn die beiden dem modernen
Theater angepaßt hatten, allgemeinen Beifall. Als aber der König auch noch
den Odipus auf Kolonos, dann sogar, gegen Tiecks eigenen Wunsch, den
Gestiefelten Kater und den Blaubart aufführen ließ, da zeigte die ablehnende
Haltung der Hörer, daß die Bühne sich zu gelehrten oder phantastischen
Experimenten nicht hergeben darf. Vollends Racines Athalie, dies ein-
tönige Stück, dessen salbungsvolles Pathos den Deutschen meist schon auf
der Schulbank verleidet wird, brachte die Berliner fast zur Wut; sie
witterten jetzt überall pfäffische Anschläge und riefen in Gegenwart des
Hofes ungebärdig: wir wollen keine Predigten. Ein so genügsamer stand-
hafter Theaterbesucher wie sein Vater konnte Friedrich Wilhelm, der selbst
schon so viel gedacht und empfunden hatte, niemals werden, denn ideen-
reichen Köpfen fällt das Hören immer schwerer als das Sehen; nur von
Zeit zu Zeit reizte ihn das Außerordentliche, Seltsame, Fremdartige. Er
sprach oft enthusiastisch von der Verjüngung des deutschen Theaters, je-
doch die aufstrebenden dramatischen Talente, an denen die Zeit nicht arm
war, ließen ihn kalt, weil sie allesamt zur Opposition gehörten. Also
brachte seine Regierung auch der Bühne kein frisches Leben. Der neue
aus München berufene Theaterdirektor v. Küstner waltete seines Amts
mit Kraft und Eifer, er zeigte sich auch nicht unfreundlich gegen die jungen
Poeten; die Herrscherin im königlichen Schauspielhause blieb doch nach
wie vor die gute Charlotte Birch-Pfeiffer.
Am allerwenigsten war Friedrich Rückert der Mann, um die Pläne
einer Theaterreform, mit denen der König spielte, ins Leben einzuführen.
Er warf sich, seit auch er nach Berlin berufen worden, mit jugendlichem
Eifer auf dramatische Arbeiten, doch sie konnten seinem lyrischen Genius
nicht gelingen; eine Tätigkeit, die ihn dem Bühnenleben näher gebracht
hätte, ward ihm gar nicht angewiesen. So wurden ihm diese Berliner
Jahre die traurigsten und die unfruchtbarsten seines Lebens. „Der in-
dische Bramane, geboren auf der Flur“ fand den Hof und die vornehme
Gesellschaft ebenso ungenießbar wie den Lärm der Großstadt und ihre
reizlose Gegend; die Handvoll Zuhörer, die sich in der bescheidenen Wohnung
auf der Behrenstraße zu den orientalistischen Kollegien des Dichters ein-
fand, bot ihm auch keinen Trost, und er dankte Gott, als er nach einigen
Jahren heimkehren durfte ins fränkische Hügelland, um wieder in länd-