248 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
stalten aufs äußerste widerstrebte.“) Im Herbst 1847 wurde das mit
königlicher Freigebigkeit ausgestattete Krankenhaus Bethanien eröffnet.
Fliedners Diakonissen zeigten hier zum ersten Male, was sie in großen
Verhältnissen zu leisten vermochten; die erste Oberin Marianne von
Rantzau und ihre Nachfolgerin Gräfin Anna Stolberg, des Ministers
Tochter, warteten ihres schweren Amts in christlicher Treue, und nach
mancher Enttäuschung zuletzt mit so günstigem Erfolge, daß die Spötter
und die Zweifler verstummen mußten. Bald nachher kam der Bau des
neuen Moabiter Zellengefängnisses zum Abschluß; die Anstalt sollte nach
Julius' Grundsätzen geleitet werden, und auch sie mußte erst lange Jahre
unfertiger Versuche und bitterer Anfeindung überstehen, bis ihre Wirk-
samkeit allgemein anerkannt wurde. Mehr zu erreichen war in dieser
gärenden Zeit unmöglich, die Regierung wagte nicht einmal, Wichern nach
Preußen zu berufen. Erst als die Not wieder beten lehrte, als in den
Kämpfen der Revolution die Verwilderung des armen Volks den besitzenden
Klassen drohend unter die Augen trat und sie an alte Unterlassungssünden
mahnte, da erst sollte der fruchtbare Gedanke der inneren Mission sich in
mannigfachen christlichen Vereinen ausgestalten und Anhänger werben auch
unter denen, welche bisher den Pietismus verhöhnt hatten. —
Für jetzt freilich standen die Gegensätze einander noch ganz unvermittelt
gegenüber. Das ungeheuerliche Durcheinander von Mißverständnissen und
Mißerfolgen, von Versuchen und Enttäuschungen mußte zu einer Kata-
strophe führen. Niemand vielleicht sah dies früher voraus als Bettina
v. Arnim. Glückselig hatte sie bei der Thronbesteigung ihres königlichen
Freundes „den Frühling des geliebten Preußenlandes“ begrüßt; doch schon
nach wenigen Monaten sagte sie in tiefer Herzensangst mit dem Ahnungs-
vermögen des genialen Weibes: „wir müssen den König retten.“ „Die
Schmach der Geistesknechtschaft“, das glaubte sie fest, ging nicht von dem
Könige aus; nur seine pergamentnen Staatsverwalter, Eichhorn und ihr
Schwager Sovigny, den sie weit zu übersehen wähnte, beirrten ihn in
seinen edlen Vorsätzen. Um ihn aus solchen Banden zu befreien, veröffent-
lichte sie 1843 die wunderliche Schrift: „Dies Buch gehört dem Könige.“
Groß zu denken von dem Menschen, blieb ihr von jeher Bedürfnis; in
jedem Kinde Gottes erkannte sie den geborenen Helden, wenn man ihm
nur volle Freiheit gewähre. Diese optimistische Weltanschauung war frei-
lich das genaue Gegenteil der stolzen Menschenverachtung, welche alle
großen Staatsmänner, alle mächtigen politischen Denker ausgezeichnet hat;
doch sie entsprach den gemütlichen Idealen der besten und uneigennützig-
sten Männer der deutschen liberalen Partei. Also gelangte die romantische
Schwester der hoch-klerikalen Gebrüder Brentano zu einem Liberalismus
des Herzens. Wie sie einst für die Befreiungskriege der Tiroler und der
Preußen geschwärmt hatte, so jetzt für den Kampf um die bürgerliche Frei-
*) Thile, Denkschrift über Bethanien, Juni 1847.