Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Adresse des Posener Landtags. 259 
teten einen reichsständischen Versammlung besaß Preußen ihrer acht, die 
im Wetteifer, unmaßgeblich, und eben deshalb oft leichtfertig, vorlaut, 
rücksichtslos, über alle erdenklichen Fragen der allgemeinen Gesetzgebung 
Gutachten abgaben oder Wünsche äußerten und durch dies achtfache Drein- 
reden schließlich jede Regierung unmöglich machen mußten. üÜberall 
schritten die Provinzialstände weit über ihre bescheidenen Befugnisse hin- 
aus; gleichwohl ließ sich der großen Mehrzahl weder ein zuchtloser Über- 
mut vorwerfen, noch eine förmliche Verletzung des Verfassungsrechts, 
denn alle allgemeinen Gesetze berührten mittelbar auch jede einzelne Pro- 
vinz insbesondere, und irgendwo mußten die Begehren der gärenden Zeit 
doch zu Worte kommen. 
Gleich im Anfang wurde des Königs weiches Herz schmerzlich berührt 
durch die Undankbarkeit seiner geliebten Polen. Die sarmatischen Edel- 
leute wollten den letzten Landtagsabschied, der ihnen so väterlich ihre 
Pflichten gegen den preußischen Staat vorgehalten hatte, nicht ruhig 
hinnehmen. Ermutigt durch die Schlaffheit der Regierung, entwarfen 
sie alsbald eine nach Form und Inhalt gleich ungehörige Adresse, welche 
dem Landesverrate, der Lossagung von Preußen sehr nahe kam. Da 
hieß es: „Sollen sie, gleich den in ihrer Nationalität nicht mehr bestehen- 
den litauisch und wallonisch redenden Untertanen, ihren Vereinigungs- 
punkt in dem Namen Preußen finden, so erblicken sie hierin eine Ge- 
fährdung jener Verheißung (v. J. 1815); sie fürchten, nicht mehr sein 
und sich nennen zu dürfen, was sie nach ihrer Sprache, ihren Sitten, 
ihren geschichtlichen Erinnerungen, was sie nach feierlich geschlossenen Ver- 
trägen und erteilten Zusicherungen sind: — Polen!“ Die Adresse wurde, 
nach polnischem Brauche, unter wüstem Geschrei hastig angenommen; 
viele wußten kaum, was man beschloß.“) Ohne die deutsche Minderheit 
auch nur einer Erwähnung zu würdigen, sprach die polnische Mehrheit 
kurzweg im Namen der gesamten Provinz; denn wie einst die alte sar- 
matische Adelsrepublik alle nicht-polnischen Nationalitäten grausam miß- 
handelt hatte, so stellte der Posener Adel jetzt, da er wieder zu hoffen 
wagte, die dreiste Behauptung auf: die Deutschen in Posen, deren Stamm 
sich dort seit sechshundert Jahren als Vorkämpfer der Gesittung behauptet 
hatte, seien einfach „Polen deutscher Abkunft“; gebe es doch auch in Breslau 
und Berlin einzelne Deutsche polnischer Abkunft. Solche Frechheiten 
konnte sich der König doch nicht bieten lassen. „Die Adresse der Posener 
Stände“, schrieb er zornig, „ist der Art, daß mir eine Antwort mit um- 
gehender Post ausnahmsweise gerechtfertigt scheint.“““) Eigenhändig ent- 
warf er eine scharfe Erwiderung, die, vom Staatsministerium fast un- 
verändert angenommen, am 12. März nach Posen abging. Sie sprach 
  
— — 
*) Bericht des Oberpräsidenten v. Beurmann an Graf Arnim, 9. März 1843. 
**) König Friedrich Wilhelm an Thile (o. D.), März 1843. 
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