Tschech. 269
gedruckte Frage: „Tschech?!“ Friedrich Wilhelm hatte nach seiner Er—
rettung, die er nur überirdischer Hilfe zuschrieb, von Erdmannsdorf aus
das Bergkirchlein Wang besucht und dort tief zerknirscht, überwältigt von
der Gnade Gottes, seine Dankgebete gehalten. In dieser weichen Stim—
mung wollte er den Verbrecher gern begnadigen; er hielt es für unedel,
gleichsam in eigener Sache zu richten.
Diesmal aber zeigten sich seine Minister endlich einig; sie fühlten alle,
wie schwach die Krone schon geworden war, und wie tief sie sich selbst er—
niedrigte, wenn sie nicht mehr wagte, einem solchen Hochverrat mit dem
ganzen Ernste des Gesetzes entgegenzutreten. In einem gemütvollen Briefe
hielt der alte Boyen dem Monarchen zuerst diese Mahnung vor und sprach
zugleich tief betrübt, freilich ohne einen greifbaren Ratschlag zu geben, über
den allgemeinen Mißmut des Volks und die Fehler der Regierung: „Es
ist der größte Irrtum, daß man den Entwicklungsgang der Zeit beliebig
hemmen oder die öffentliche Meinung durch Verweise öffentlich schulmeistern
könne.“*) Da der Prinz von Preußen nebst sämtlichen Ministern den
Vorstellungen Boyens beipflichtete, und die Untersuchung gar nichts an den
Tag brachte, was die Tat Tschechs irgendwie entschuldigen konnte, so sah
Friedrich Wilhelm endlich ein, daß er der Justiz freien Lauf lassen mußte.
Noch einmal verhieß er, im Dezember, dem Verurteilten die Begnadigung,
falls er sein Unrecht bekennen wollte. Aber Tschech blieb trotzig. Unter
strömenden Tränen unterzeichnete der König endlich das Todesurteil
in einem großen Ministerrate und ließ dem Verbrecher dann noch durch
seinen Vertrauten, den Präsidenten Kleist sagen, daß er für ihn als seinen
christlichen Bruder beten würde.
Die Strenge war nur zu nötig, denn in dem gebildeten Berlin
herrschte, dank der giftigen Klatscherei dieser Jahre, eine Liederlichkeit
der Empfindung, die allem Rechte Hohn sprach. Varnhagen und seine
Freunde wollten gar nicht glauben, daß in diesem aufgeklärten Jahr—
hundert die Barbarei einer solchen Hinrichtung möglich wäre; rühr—
same Zeitungsartikel, die unverkennbar großenteils aus diesen Kreisen
herstammten, erinnerten den König an das schöne Vorbild Ludwig Phi—
lipps und Victorias, die in ähnlichen Fällen stets begnadigt hatten. Man
wußte kaum noch, daß die Krone der Hohenzollern doch etwas anderes
war als das Schattenkönigtum jener belobten Westländer. Als nun das
Notwendige dennoch geschah, da nannte man den König blutbefleckt und
der Pöbel schob wieder alle Schuld auf den Prinzen von Preußen. Ein
offenbar von einem gebildeten Manne verfaßtes Berliner Gassenlied
sagte:
Ins Volk fiel's wie ein Donnerkeil,
Daß Tschech mußt' fallen unterm Beil
Der fromme König, ach so gut,
*) Boyen an den Kömig, 3. Aug. 1844.