288 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
Daß diese Schande dem preußischen Staate erspart blieb, war allein
dem Starrsinn Drostes zu verdanken. Bei dem hatten mittlerweile
Schadow und Fürstenberg nochmals, und wieder vergeblich, ihre Über-
redungskünste versucht. Der unbeugsame Westfale wurde den Monsig-
noren immer lästiger und Capaccini meinte: ein Glück nur, daß er den
Purpur verschmäht, er wäre ja im stande, hier mit Papst und Kardi-
nälen Händel anzufangen! Gregor aber fühlte sich beunruhigt; denn
er wußte wohl, daß der Papst nicht befugt ist, einem Bischof, ohne dessen
Einwilligung, einen Koadjutor mit so ausgedehnten Befugnissen beizu-
ordnen; und so unbedenklich er die Rechte der weltlichen Gewalt beein-
trächtigte, ebenso gewissenhaft vermied er, das kanonische Recht zu verletzen.
Er entschloß sich daher, den Erzbischof durch einen eigenhändigen Brief
sehr nachdrücklich zur Anerkennung des Koadjutors aufzufordern, und
sendete zugleich den Bischof Reisach zum zweiten Male nach Münster,
diesmal mit den allerstrengsten Weisungen, so daß der bayrische Jesuit
seine ganze Kraft einsetzen mußte. Nach einigen Wochen peinlichen Harrens
meldete Reisach endlich: Droste habe sich den Befehlen des heiligen Vaters
gänzlich unterworfen und wolle sogar einen Hirtenbrief erlassen, um seine
Herde zum Gehorsam gegen den Koadjutor zu ermahnen. Nur die
Reise nach Köln zur Bischofsweihe hatte der Alte entschieden abgelehnt,
indem er seine schwache Gesundheit vorschützte.“') Offenbar ging es dem
deutschen Freiherrn wider die Ehre, jetzt noch an einem frivolen vierund-
zwanzigstündigen geistlichen Possenspiele teilzunehmen, nachdem ihn der
Vatikan schnöde preisgegeben hatte; der Gegensatz deutscher Treue und
welscher List zeigte sich vom Anfang bis zum Ende dieser Tragikomödie.
Dergestalt rettete der vertriebene Erzbischof wider Willen seinen König
vor einer selbstverschuldeten Demütigung. Im Vatikan aber änderte sich
die Szene noch einmal, als die Nachrichten aus Münster einliefen. Ver-
gessen und verschollen waren plötzlich alle die salbungsvollen Reden, mit
denen man den Preußen früherhin weich gestimmt hatte. Die so inbrünstig
verlangte Genugtuung für den beleidigten Episkopat wurde jetzt gar nicht
mehr erwähnt, und da man doch endlich zum Abschluß kommen wollte,
so schien es am einfachsten, wieder auf Geissel zurückzugreifen, der keiner
Bischofsweihe bedurfte. Droste hatte nichts dawider; das wußte man
schon aus Reisachs Berichten. Der Kardinal-Staatssekretär vollzog diese
neue Schwenkung mit solcher Leichtigkeit, daß Brühl Verdacht schöpfte
und richtig herauswitterte: Geissel wäre vielleicht schon von langer Hand her
der eigentliche Kandidat Lambruschini, Reisachs und der Jesuiten ge-
wesen. Ahnungsvoll fügte er hinzu: auf das Urteil des unklaren und
in katholischen Dingen befangenen Königs Ludwig sei wohl wenig zu
geben. Aber nach seinen Weisungen durfte er nicht mehr widersprechen.
*) Brühls Berichte, 10. 16. Sept. 1841.