294 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
abgeleugnet!*) In der Tat befahl der König höchst ungnädig eine kano—
nische Wahl mit Stimmenmehrheit, das Domkapitel bat demütig um Ver—
zeihung, und nach verschiedenen neuen Winkelzügen wurde schließlich
(August 1841) der von der Krone als genehm bezeichnete Prälat Knauer
gewählt, freilich ein hochbejahrter Herr, der dies zerrüttete Bistum
schwerlich bemeistern konnte. **)
In allem und jedem suchte der König die Gefühle des Papstes zart,
fast ängstlich zu schonen. Als das Bistum Jerusalem gegründet wurde, da
ließ er in Rom — was einem evangelischen Monarchen doch übel anstand
— ausdrücklich versichern, damit sei keinerlei Feindseligkeit gegen die katho-
lische Kirche beabsichtigt. **) Wie tief mußte es ihn also verwunden, daß
ihm die Kurie überall, selbst in unpolitischen Dingen nur Mißtrauen und
Mißwollen zeigte. Schon als Kronprinz hatte er den Wohnsitz der preu-
ßischen Gesandtschaft, den Palast Caffarelli auf dem Kapitol durch Bunsen
kaufen lassen. Gregor aber wollte nicht vergessen, daß Bunsen sich einst
übermütig vermessen hatte, hier an dem Felsen des Kapitols solle die
Macht des Papsttums zerschellen;é) ihm kochte das Blut, so oft er
hinüberschaute nach dem Hügel drüben, wo die Ketzerei à la barbe du
pape gepredigt wurde — so sagten die Kardinäle; auch war es den Ita-
lienern nicht zu verdenken, wenn sie diese Stätte uralter nationaler Er-
innerungen nur ungern im Besitze einer fremden Gesandtschaft sahen.
Gleich nach Bunsens Abberufung beschwerte sich Lambruschini bei dem
Residenten Buch heftig, weil die evangelische Gemeinde auch nicht zur
Gesandtschaft gehörige Personen aufnähme, weil Preußen gewagt hätte,
ohne Erlaubnis des Papstes sein archäologisches Institut auf dem tarpe-
jischen Felsen, ja sogar ein evangelisches Krankenhaus zu gründen —
und was der Klagen mehr war.LêsMit Mühe konnte Buch den Er-
grimmten halb beschwichtigen. Nach dem Thronwechsel aber trat die Kurie
plötzlich gar mit der Behauptung hervor: der Verkauf des Palastes
Caffarelli bestehe nicht zu Recht. Da brauste der König auf, dem der
Besitz dieser herrlichen Stelle recht eigentlich Herzenssache war. „Ich
betrachte“, so schrieb er an Brühl, „den Palast als mein Eigentum. Er
war bezahlt und übergeben. Nach den Gesetzen aller Länder ist er mein.
Ebenso nach dem Gebrauche aller Länder, mit Ausnahme der Türkei
und, wie die Erfahrung gelehrt hat, des päpstlichen Gebiets.“ Er ver-
bot also jede Nachgiebigkeit, denn jetzt am wenigsten sei für ihn der Augen-
blick zu neuen Opfern, da 9 Mill. Evangelische ihm schon zürnten wegen
*) Brühls Berichte, 25. Febr., 19. Juli 1841.
**) Kabinettsordres an Eichhorn, 23. April, 30. Juni; Eingabe des Domkapitels
an Eichhorn, 16. Juni; Berichte des Oberpräsidenten Merckel, 19. Juni, 27. Aug. 1841.
*“) Werther, Weisung an Brühl, 16. August 1841.
S. o. III. 414; IV. 704.
f#) Lambruschini an Buch, 10. Juni; Buchs Bericht, 23. Juni 1838.