322 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
lesen lassen, als wenn ich selbst mit ihnen gesprochen hätte, daß sie wirken
sollen. Es gilt.“*) Dies genügte, der Landtag trennte sich in Frieden.
Einige wüste Straßenaufläufe, die in der nächsten Zeit die Hauptstadt
beunruhigten, hatten ihren Grund lediglich in den hohen Bierpreisen;
bedenklich war nur, daß die Truppen den angestammten Durst auch nicht
verleugnen konnten und dem Pöbel gegenüber schlechte Manneszucht hielten.
Auch ernstere Anzeichen verrieten schon, daß die Regierung nicht
mehr ganz fest stand. Die Liebe der Massen besaß der König längst nicht
mehr; die kleinen Bürger schalten auf seine Baulust, auf seine wiederholten
italienischen Reisen, auf die knappe Verwaltung und den ewigen kirchlichen
Zank. An der Türe der Ludwigskirche fand man mehrmals ein freches
Vater Unser angeschlagen, das den Vater des Bayerlandes bat: erlöse uns
von dem Übel deiner Person. Als Abel im Staatsrate vorschlug, der
König möge den protestantischen Synoden sein Mißfallen öffentlich aus-
sprechen, da konnte der bisher Allmächtige schon nicht mehr durchdringen.
Sein alter Freund von Griechenland her, der gelehrte Maurer, trat ihm
entschieden entgegen; desgleichen der Kronprinz, den die Ultramontanen
insgeheim wegen seiner preußischen Heirat und wegen seines Verkehrs mit
norddeutschen Gelehrten haßten; ja selbst der streng katholische junge Prinz
Luitpold verlangte, daß man den Protestanten ihr gutes Recht nicht ver-
kümmere.) Da erschrak der König; Gerechtigkeit war ja sein Stolz und
man hörte ihn einmal ausrufen: „mit Abel geht es nicht mehr.“
Noch im selben Jahre, Dez. 1845, trat der neu gewählte Landtag
zusammen und er zeigte sich von Haus aus weit streitbarer als sein Vor-
gänger. Wohl beteuerte die Adresse der zweiten Kammer inbrünstig:
„Untertanen eines solchen Königs zu sein, ist der Bayern Stolz;“ der
ludovizianische Lapidarstil wirkte ansteckend, ihn nachzuahmen gehörte zum
Hofbrauch. Zum Präsidenten wurde jedoch Frhr. v. Rotenhan gewählt,
der tapfere protestantische Franke, und da Abel sieben protestantischen
Abgeordneten den Urlaub verweigert hatte, so kam es gleich anfangs zu
heftigen Auftritten. Zwei liberale Aristokraten Frhr. v. Thon-Dittmer
und Max v. Lerchenfeld standen an der Spitze der Opposition, entschlossene
Männer von ungewöhnlicher Beredsamkeit. Die schärfsten Angriffe wider-
fuhren dem Minister jedoch abermals im Hause der Reichsräte. Die
unmäßige Begünstigung des Klosterwesens hatte selbst in dieser fast durch-
aus katholischen Kammer Besorgnisse erweckt. Man zählte bereits 9 männ-
liche, 14 weibliche Orden im Lande mit mindestens 132 Klöstern; Ge-
naues wußte niemand. Die Nonnen gaben wenig Argernis; nur die
Lehrschwestern machten sich oft unnütz durch seelenrettende Betriebsamkeit.
Von den Mönchen genossen die Benediktiner hohes Ansehen; sie hatten sich
*) K. Ludwig an den Abg. Auerweck, v. D. (Ende März 1842).
**) Bericht des Ministerresidenten v. Küster, 28. Febr. 1845.