Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

328 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
gesetzten zu unterwerfen. Blittersdorff beschloß daher, den Stier bei den 
Hörnern zu packen, und als die Kammern 1841 sich wieder versammelten, 
ließ er zweien der neugewählten Beamten den Urlaub versagen. Das war 
kein Rechtsbruch; denn die Verfassung sagte nirgends, daß Staatsdiener 
zum Eintritt in die Kammer keines Urlaubs bedürften, und die Regierung 
hatte zwar vor zwanzig Jahren um des Friedens willen einige Urlaubs— 
verweigerungen wieder zurückgenommen, auch seitdem dies kleinliche Macht— 
mittel nicht mehr angewendet, aber niemals förmlich darauf verzichtet.) 
So leichthin ließ sich gleichwohl die langjährige Übung nicht beseitigen. Die 
zweite Kammer fühlte sich in den Grundfesten ihrer Macht bedroht, da sie 
der sachkundigen liberalen Beamten nicht entbehren konnte, und erklärte 
die Urlaubsverweigerungen kurzerhand für verfassungswidrig. Da bewog 
Blittersdorff den Großherzog, persönlich einzugreifen. Die Kammern wurden 
vertagt, und in einem Manifeste sagte Leopold seinem Volke, daß er die 
Verirrungen seiner zweiten Kammer beklage, jedoch auf bessere Einsicht 
hoffe. Zu einer solchen landesherrlichen Botschaft, die doch keine gesetz— 
liche Anordnung enthielt, war der Großherzog unzweifelhaft berechtigt, 
wenn nicht der letzte Schatten monarchischer Gewalt verschwinden sollte. 
Indes nach der herrschenden vernunftrechtlichen Theorie galt es für aus— 
gemacht, daß der Souverän niemals ohne die Unterschrift seiner Minister 
irgend eine Willensäußerung wagen dürfte. Alsbald erhob sich ein mäch— 
tiges Wehegeschrei, und als der Landtag um Neujahr 1842 nochmals zu— 
sammentrat, führten der alte Itzstein und der grimmig polternde Welcker 
sofort ihr grobes Geschütz auf. Unter brausendem Jubel der Galerien 
wurde auch das Manifest des Großherzogs für verfassungswidrig erklärt. 
Die Auflösung des Landtags war die einzig mögliche Antwort, und 
nunmehr glaubte Blittersdorff sein Spiel gewonnen. Einen Wahlkampf, 
wie er jetzt über Baden hereinbrach, hatte Deutschland noch nicht erlebt. 
Seine lang nachwirkenden Folgen zeigten sich in der krankhaften Ver— 
bitterung des Parteilebens und vornehmlich in der Gesinnungslosigkeit 
des Beamtentums, das sich diesmal in seiner großen Mehrzahl knech- 
tisch den Winken des verhaßten Ministers fügte, also für die Zukunft die 
Kraft verlor, den Mächten des Umsturzes zu widerstehen. Alles ward 
aufgeboten, was sich an schlechten Künsten amtlicher Bedrohungen, Ein- 
schüchterungen und Verheißungen nur irgend ersinnen ließ, und die Oppo- 
sition antwortete mit gleichen Waffen. Mannheim und Konstanz waren 
ihre festen Burgen. Von dort erteilte Vater Itzstein seine Weisungen 
an die Wahlredner, von hier bearbeitete Jos. Fickler die oberländischen 
Bauern durch die demagogischen Artikel seiner Seeblätter. Und das alles, 
weil der Großherzog zwei Beamten den Urlaub versagt und nachher eine 
landesväterliche Ansprache an seine Badener gerichtet hatte! Indes lag 
  
*)) S. o. III. 50; W. 628.
	        
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