Klerikale Bewegung in Württemberg. 335
Reihe von Beschwerden über die Bedrängnis der katholischen Kirche vor—
zulegen. Die begleitende Denkschrift lautete so ungeschlacht, daß ihm
Minister Schlayer auf den Kopf zusagte, dergleichen könnten nur junge
Hitzköpfe geschrieben haben.
Der Schlag war von langer Hand her vorbereitet; Graf Zeil hatte
sich deswegen in München mit Abel und dem Nuntius verabredet.“)
Aber auch die Gegner gerieten in Aufregung. Die tapferen Evangelischen
in der Exulantenstadt Freudenstadt, die pietistischen Stundenleute von
Calw und Kornthal, alle guten Altwürttemberger riefen erschrocken: jetzt
wollen die Jesuiten die feste Burg des süddeutschen Protestantismus
erstürmen. Nach leidenschaftlicher Beratung wurden die Beschwerden des
Bischofs von der Kammer allesamt abgewiesen und nur eine ange-
nommen: die Klage über die Beschränkung der Presse, eine Klage, die
sich freilich in Kellers Munde seltsam ausnahm, da er früherhin immer
gegen die gottlose Preßfreiheit geeifert hatte. Hier zeigte sich, wo die Stärke
der Ultramontanen lag. Wenn sie das Zauberwort der Freiheit gegen
die unleugbaren Härten des alten Polizeistaates geschickt ausspielten, dann
konnte ihnen die Hilfe der Liberalen nicht fehlen. Trotz ihres Sieges
fühlte sich die Regierung unsicher und suchte ihr Verhalten durch eine
Denkschrift vor dem römischen Stuhle zu rechtfertigen. Bald darauf (1844)
gewährte sie aus freien Stücken zwei kleine Erleichterungen. Der Bischof
erhielt eine etwas erweiterte Disziplinargewalt und die Besetzung von fünf-
zehn Pfarreien. Der alte Territorialismus hatte noch einen letzten Er-
folg davon getragen, aber seine Tage waren gezählt. —
Nicht bloß den Staatsgewalten hatte die römische Kirche große Zuge-
ständnisse entrungen; sie bewährte ihre gewaltige Widerstandskraft auch
gegen den Versuch einer Sektenbildung, die freilich von Haus aus hohl und
geistlos, doch an dem unklaren politischen Freiheitsdrange der Zeit eine
Stütze fand. Arnoldi, der einst von dem alten Könige zurückgewiesene, nun-
mehr von dem Nachfolger begünstigte neue Bischof von Trier, geriet bald in
die Hände der klerikalen Partei und veranstaltete im Sommer 1844 die
Ausstellung des ungenähten heiligen Rocks — ein Schauspiel, das seit mehr
als einem Menschenalter unterblieben war und jetzt, wie der alte Görres
öffentlich aussprach, lediglich dazu dienen sollte, den Triumph der Kirche
über den paritätischen Staat feierlich zu bekunden. Und dies pfäffische
Blendwerk wurde gewagt, obwohl Papst Gregor erst vor einem Jahre den
Benediktinern von Argenteuil in einem Breve bezeugt hatte, daß sie den hei-
ligen Rock des Herrn in ihrem Altar verwahrten. Zum Überfluß bewiesen
*) Dönhoffs Bericht, München 28. März 1842.