Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

38 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung. 
bischof Droste, aus seiner ländlichen Heimat nach Münster überzusiedeln; 
nach Köln wollte er den Urheber des Streites auf keinen Fall zurückkehren 
lassen. Den anderen der beiden Erzbischöfe hingegen, Dunin, der noch 
rechtskräftig verurteilt in Colberg gefangen saß, dachte er sogleich wieder 
in sein erzbischöfliches Amt einzusetzen. Welch ein Mißgriff! Dunin war 
nicht nur der schuldigere der beiden Prälaten, da er ganz ohne Not ein seit. 
Jahrzehnten anerkanntes Gesetz eigenmächtig aufgehoben hatte; er gehörte 
auch einer Provinz an, welche durch ihre Unbotmäßigkeit ebenso bekannt 
war wie das Rheinland durch seinen gesetzlichen Sinn und sich längst ge- 
wöhnt hatte, jede Tat königlicher Milde als deutsche Schwäche zu ver- 
spotten. Während am Rhein die Ruhe fast nirgends gestört wurde, nahmen 
in Posen die Kundgebungen lärmenden Zornes kein Ende: die Geistlichen 
verbreiteten ein Lied: „den Hirt und Vater raubt man seinen Kindern, 
den heil'gen Glauben will man uns entreißen.““) Gerade diesen schlech- 
testen Untertanen Preußens, den Polen widmete Friedrich Wilhelm eine 
schwärmerische Zärtlichkeit. Er konnte nie vergessen, daß Platen ihn einst 
in den Polenliedern um Schutz für „das Volk der Leiden“ angefleht und 
ihm zugerufen hatte: 
Triumphe sind wie Niederlagen, 
Wenn ihre Frucht besteht in Klagen. 
Im grenzenlosen Haß der Welt. 
Mit den Radziwills und Raczynskis verband ihn alte Freundschaft. Durch 
Großmut hoffte er die Großmütigen, die in Wahrheit nur begehrlich 
waren, zu versöhnen. 
Daher wurde schon am 17. Juli Geh. Rat Aulicke, ein hartkatho- 
lischer Westfale, der fortan in Preußens Kirchenpolitik noch lange eine 
verhängnisvolle Rolle spielen sollte, an den Gefangenen gesendet. Die 
verschmitzten Augen des glatten kleinen Polen leuchteten, er zerfloß in Dank- 
barkeit und versprach in einem höchst untertänigen Schreiben, fortan Treue 
und Frieden zu wahren. Darauf gestattete ihm der König die Rückkehr und 
sprach zugleich die Hoffnung aus: „Es wird Mich freuen, durch die Be- 
tätigung Ihrer gegen Mich ausgesprochenen Verheißungen Mich bald in 
den Stand gesetzt zu sehen, Sie an Meinem Hoflager zu empfangen.“) 
Die Heimkehr erfolgte, um Aufsehen zu vermeiden, am späten Abend des 
5. August; aber natürlich hatte einer der adligen Vertrauten des Erzbischofs, 
Lipski, die Nachricht schon vorher verbreitet, so gestaltete sich denn die Ein- 
fahrt zu einem brausenden Triumphzuge, und es frommte wenig, daß der 
König dem Herrn v. Lipski nachträglich seinen Unwillen aussprechen ließ. 
  
*) Bericht des Ministerialverwesers v. Ladenberg an den König, 3. Aug. 1840. 
*“) Instruktion für Aulicke, 17. Juli; Aulickes Bericht, 27. Juli; Dunin an den König, 
24. Juli; Kabinettsordre an Dunin, 29. Juli 1840. 
*“*) Ladenbergs Bericht an den König, 6. Aug.; Kabinettsordre an Ladenberg, 
7. Aug. 1840.
	        
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