Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

456 V. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft. 
er dem Beamtentum stets mißtraute, schon als Kronprinz oft beklagt, 
„daß die Masse der Erfahrung, die in dem Handel und Gewerbe treiben— 
den Publikum vorhanden ist, in den obersten Behörden gar keine Ver— 
tretung fand“.*) Darum gründete er, nach den Plänen seines Vaters, 
am 16. Januar 1842 das Landes-Okonomiekollegium, eine beratende tech- 
nische Behörde, die mit den landwirtschaftlichen Vereinen in Verbindung 
trat, in allen Provinzen namhafte Grundbesitzer als außerordentliche Mit- 
glieder anstellte und also wohlunterrichtet über die Lage des Landbaues 
ihre Gutachten abgab. Von ganzem Herzen erfreute er sich an der ersten, 
durch Beuth veranstalteten großen Gewerbeausstellung, die im Berliner 
Zeughause 1844 eröffnet wurde; zum Andenken ließ er eine schöne Schau- 
münze prägen mit dem Bilde der Germania und der Inschrift: Seid 
einig! Die wiederholten Bitten der Provinziallandtage um Wiederein- 
setzung eines Handelsministeriums hatten ihm längst gezeigt, daß er die 
Gewerbs= und Handelssachen nicht mehr allein dem Finanzminister und 
der oft rein fiskalischen Gesinnung seiner Räte überlassen durfte. 
Als ihm nun der aus London heimgekehrte Minister Bülow vor- 
schlug, ein Handelsamt nach dem Vorbilde des englischen Board of Trade 
zu gründen, da ging der König freudig auf den Gedanken ein. Den 
rechten Mann für die Leitung des neuen Amts glaubte er schon gefunden 
zu haben in dem Ministerresidenten zu Washington, dem Holsten Friedrich 
Ludwig von Rönne, der schon seit längerer Zeit auf Urlaub in Berlin 
weilte und hier, von Savigny, Bunsen und dem allezeit still tätigen Senfft 
v. Pilsach warm empfohlen, dem Monarchen bald näher trat. Rönne hatte 
in seinen diplomatischen Berichten die volkswirtschaftlichen Verhältnisse 
immer ausführlich besprochen und sich auch viele deutsche Fabrikanten durch 
wertvolle Geschäfts-Mitteilungen zu Dank verpflichtet; die Amerikaner be- 
hielten die stattliche Erscheinung des liebenswürdigen preußischen Resi- 
denten noch lange in gutem Andenken. Er schwärmte für den neuen König, 
aber auch für das freie Polen und für die Vereinigten Staaten, deren Bun- 
desverfassung er in Deutschland nachzubilden wünschte; und zu verwun- 
dern war es nicht, daß der leicht erregbare Enthusiast sich späterhin in die 
Irrwege einer unfruchtbaren liberalen Opposition verlor. Den Schutzzoll- 
Theorien Lists stimmte er begeistert zu, und mit dem wahlverwandten Bun- 
sen verhandelte er gern über deutsche Kolonien und gesamtdeutsche Schiff- 
fahrt — hochsinnige Pläne, denen nur leider für jetzt jeder Boden fehlte. 
Geistreich und vielseitig unterrichtet durfte er sich mit Kühnes reicher Er- 
fahrung und Geschäftskenntnis doch nicht von fern vergleichen. 
Da dem Könige das Einfache stets am fernsten lag, so konnte er sich 
nicht entschließen, nach den Wünschen der Provinziallandtage, das unter- 
gegangene Handelsministerium wieder ins Leben zu rufen; er fürchtete, 
  
*) So erzählt er selbst in einer Notiz für das Staatsministerium, März 1846.
	        
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