Schön und die Altpreußen. 41
den alljährlichen Belle-Alliance-Festen auf dem Galtgarbenberge verherr—
lichten Dickert, Falkson und andere jugendliche Redner die künftige preußi—
sche Verfassung. Als nun die Kunde von dem Thronwechsel kam, da
fanden die verhaltenen Wünsche den Atem wieder; die Provinz hoffte,
alles werde jetzt anders und besser werden, die einen erwarteten ein
unbestimmtes politisches Glück, andere eine Erleichterung des Druckes der
russischen Grenzsperre, fast alle aber sahen in Schön den Staatsmann
der Zukunft.
Und mochte er es auch ableugnen, unmöglich konnte er selbst solchen
Hoffnungen fremd bleiben. Wie oft hatte er, alle diese Jahre über, ein
Kabinett, „das vor dem Volke stehe“, gefordert. Die bisherigen Minister
schienen ihm allesamt verächtlich, am verächtlichsten Rochow, der sein un-
glückliches Wort vom beschränkten Untertanenverstande der altpreußischen
Stadt Elbing zugeschleudert und also den reizbaren Provinzialstolz töd-
lich beleidigt hatte. Diesen Abscheu erwiderten die Beamten der Berliner
Zentralstellen, ohne Unterschied der Partei, aus Herzensgrunde; sie alle
hatten unter Schöns schroffer Tadelsucht viel gelitten und oft beklagt, daß
der alte König ihm alles nachsah. Der liberale Kühne, der mit dem
erklärten Gegner des Zollvereins in beständiger Fehde lebte, sagte in
seinen Erinnerungsblättern geradezu: „Nie hat, soweit meine Bekannt-
schaft reicht, das Prinzip der Lüge und Falschheit eine vollständigere Ver-
körperung erlangt als in diesem Manne.“ War es nicht natürlich, daß
Schön diese seine geschworenen Feinde durch Männer seines Vertrauens
zu verdrängen hoffte? Mit dem neuen Könige verband ihn eine lang-
jährige Freundschaft, die allerdings, wie vormals Friedrich Wilhelms Ver-
hältnis zu Niebuhr, nicht auf wirklicher Gesinnungsgemeinschaft ruhte, also
ernste Prüfungen schwerlich aushalten konnte. In seinen sittlichen Grund-
anschauungen hatte der rationalistische Kantianer, der Gegner der histori-
schen Schule mit demchristlich germanischen Monarchen wenig gemein. Seit
seinen Kämpfen mit den Muckern war Schön in seinem Aufklärungs-Eifer
immer fanatischer geworden und behauptete jetzt geradezu: „das rohe
Gefühlsleben in den Formen der positiven Kirche schließt die Intelligenz
aus;“ stolz stellte er der Heuchelei der Jesuiten, Herrnhuter und Pietisten,
die ihm alle gleich galten, sein eigenes „einfaches Christentum“ ent-
gegen, obwohl er in seiner Selbstüberhebung die christlichen Tugenden
der Liebe, der Demut, der Wahrhaftigkeit mehr und mehr verlernte. Aber
beide waren mit Niebuhr befreundet gewesen und erwärmten sich gern
an den großen Erinnerungen des Befreiungskrieges, beide schwärmten für
England, beide liebten leidenschaftlich das tapfere Volk des Ordenslandes
und haßten die Bureaukratie der Hauptstadt; auch hatten sie schon oft zu-
sammengearbeitet, bei dem Wiederaufbau der Marienburg und nachher i in
den ständischen Angelegenheiten. Dem Kronprinzen war es immer eine
Freude, wenn er, gestützt auf das Fürwort des Oberpräsidenten, die An-