Transatlantische Dampfschiffahrt. 487
die obere Weser befreit — für 250 Taler — und die Dampfschiffahrt
konnte beginnen. Der welfische Hof aber verwand es nicht, daß ihm die
Berechnungen seiner Handelspolitik so freventlich gestört wurden, und ließ
gegen Rolff wegen verbotener Steine-Ausfuhr ein Strafverfahren ein-
leiten, das erst nach längerer Zeit wieder eingestellt wurde.
Diese Händel waren kaum beendet, da wagte Duckwitz schon, an eine
transatlantische Dampfschiffahrt zu denken. Bisher war erst eine Dampfer-
linie nach Nordamerika in regelmäßigem Betriebe, die von der englischen
Regierung reichlich unterstützte Cunard-Linie zwischen Liverpool und Neu-
hyork. Die schwachen Maschinen der Dampfer arbeiteten freilich noch
so unsicher, daß viele Postverwaltungen vorzogen, bei günstigem Passat-
winde rasche Segler zu benutzen; denn gerade in diesen Jahren erreichte
die Segelschiffahrt ihren Höhepunkt, es war die Zeit der gerühmten ameri-
kanischen Klipper. Als nunmehr die Vereinigten Staaten den Plan faßten,
eine Dampferlinie nach dem Festlande Europas einzurichten und zu unter-
stützen, da bewirkte der Konsul Man, angeregt durch Duckwitz und andere
Bremer Kaufßfherren, daß die Weserstadt zum Zielpunkte dieser Linie ge-
wählt wurde. Die Union verständigte sich darauf mit den deutschen
Staaten, obgleich England kräftig entgegenzuwirken suchte. Zwei Dampfer,
Washington und Hermann wurden ausgerüstet; Amerika zahlte 100 000
Dollars Unterstützung für jedes Schiff, Deutschland insgesamt 286 000,
davon Preußen und Bremen je 100 000 Dollars. Und wie reiche Zinsen
trug dies Opfer, das die radikalen Freihändler für Verschwendung er-
klärten. Der regelmäßige Verkehr rief ganz von selbst neue Geschäfts-
verbindungen hervor; alle deutschen Postverwaltungen bedienten sich der Bre-
mischen Dampfer, so daß sich hier zuerst der Keim eines gesamtdeutschen
Postwesens zeigte; und binnen acht Jahren stieg der Wert, der über
Bremen nach Nordamerika ausgeführten Industriewaren von 3,3 auf
16 Mill. Tlr. Es war der bescheidene Anfang einer gewaltigen Ent-
wickelung, die schließlich dahin führte, daß Deutschlands überseeischer
Handel größer wurde als sein Handel mit dem europäischen Ausland.
Und wie viele andere Unterlassungssünden noch, die man in der
langen Zeit binnenländischer Verstockung kaum bemerkt hatte, erschienen
jetzt als eine nationale Schmach; die Deutschen besannen sich wieder auf
sich selber und gedachten ihrer alten Seeherrschaft. Die Publizisten, List
voran, forderten ungeduldig eine deutsche Flagge; mit vollem Rechte, denn
die Ausländer wußten kaum, daß es ein Deutschland gebe, und sogar
unsere Seeleute, die sich mit den besten der Welt kühnlich messen durften,
standen draußen doch in geringem Ansehen, zumal da sie, nach dem be-
scheidenen alten deutschen Brauche, nur halb so hohen Lohn empfingen
wie dic englischen. Ebenso lebhaft wurde die Einsetzung deutscher Konsuln
verlangt; Preußen besaß ihrer zwar schon 230, doch fast durchweg nur kauf-
männische Wahl-Konsuln, und sie durften andere Deutsche nicht vertreten.