Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Ständische Denkschrift. Landtagsabschied. 45 
seiner Weisheit sowohl als der seiner Nachfolger vorbehalten, die Zeit zu 
bestimmen, wenn sie in Ausführung kommen sollten. Daß der selige 
König außerdem seit Einführung der Provinzialstände an jener weiteren 
Ausdehnung der ständischen Verhältnisse nicht gearbeitet hat, beweist wohl, 
wie in allem, sein tiefer und richtiger praktischer Blick, der ihn in der 
Modernität solcher Institutionen ringsum im Auslande nur Nachteil, 
Unruhe, Unzufriedenheit erblicken ließ Anklang würde es bei allen 
finden, die Umsturz des Bestehenden wollen, die Selbstsuchts-Nährer sind 
und ihrer Eitelkeit frönen. Bei solchen Menschen populär zu sein, ist 
nicht meine und nicht der wahren Patrioten Sache.“ Schön antwortete 
beschwichtigend: der Prinz möge der Sache keine Wichtigkeit beilegen, die 
ständische Denkschrift enthalte nichts Gefährliches, überhaupt könne ein 
preußischer Landtag nie etwas beschließen, was dem Wohle des Königs 
zuwider sei.*') Mittlerweile setzte auch Minister Rochow alle Hebel ein, 
um den König gegen die Stände einzunehmen. 
Als Schön am folgenden Tage im Schlosse erschien, fand er den 
König sehr aufgebracht und schon halb entschlossen, den Landtag schnöde 
abzufertigen. Auf das Zureden des alten Freundes beruhigte sich Fried- 
rich Wilhelm allmählich und gestand: er wolle ja dasselbe wie die Stände, 
aber zur rechten Zeit und nach seinem eigenen freien Ermessen; er deutete 
auch einiges an von dem Plane eines großen Vereinigten Landtages, der 
ihn im stillen immer beschäftigte. Im Vorzimmer sagte Schön nachher 
zu Alexander Humboldt — wer will entscheiden, ob aus kluger Berech- 
nung, oder in der Freude der ersten Überraschung?: — „der König ist 
noch liberaler als ich.“ Diese Außerung wurde natürlich sofort über- 
all verbreitet, und Schön, der in diesen Tagen mannigfache Beweise 
königlicher Gnadc, den schwarzen Adlerorden und den Titel eines Staats- 
ministers empfing, galt bei allen Ostpreußen schon für den unvermeid- 
lichen Nachfolger des Ministers Rochow. Immerhin bewirkte Schöns 
Vermittlung, daß der Landtagsabschied v. 9. Sept. eine sehr freundliche 
Form erhielt.') Der König sagte darin: sein Vater habe, bewogen durch 
die in anderen Ländern wahrgenommenen Ergebnisse, sein königliches 
Wort in reifliche Erwägung gezogen und demgemäß beschlossen, „von den 
herrschenden Begriffen sogenannter allgemeiner Volksvertretungen sich fern 
haltend“, sein Wort einzulösen durch die Einführung der „provinzial= und 
kreisständischen Verfassung. „Dieses edle Werk treu zu pflegen und einer 
immer ersprießlicheren Entwicklung entgegen zu führen“, sei dem neuen 
  
*) Prinz v. Preußen an Schön, 7. Sept. 1840. Antwort 8. Sept. früh. 
**) Die Darstellung Schöns (Aus den Papieren III. 137) ist offenbar gefärbt und 
lückenhaft. Der wirkliche Hergang ergibt sich aus dem Briefe des Prinzen von Preußen 
aus den Andeutungen A. v. Auerswalds (Der preußiche Huldigungslandtag i. J. 1840, 
S. 32 f.), endlich aus den mündlichen Erzählungen Schöns an Frl. v. Brederlow, die 
mir von guter Hand mitgeteilt sind.
	        
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