Ständische Denkschrift. Landtagsabschied. 45
seiner Weisheit sowohl als der seiner Nachfolger vorbehalten, die Zeit zu
bestimmen, wenn sie in Ausführung kommen sollten. Daß der selige
König außerdem seit Einführung der Provinzialstände an jener weiteren
Ausdehnung der ständischen Verhältnisse nicht gearbeitet hat, beweist wohl,
wie in allem, sein tiefer und richtiger praktischer Blick, der ihn in der
Modernität solcher Institutionen ringsum im Auslande nur Nachteil,
Unruhe, Unzufriedenheit erblicken ließ Anklang würde es bei allen
finden, die Umsturz des Bestehenden wollen, die Selbstsuchts-Nährer sind
und ihrer Eitelkeit frönen. Bei solchen Menschen populär zu sein, ist
nicht meine und nicht der wahren Patrioten Sache.“ Schön antwortete
beschwichtigend: der Prinz möge der Sache keine Wichtigkeit beilegen, die
ständische Denkschrift enthalte nichts Gefährliches, überhaupt könne ein
preußischer Landtag nie etwas beschließen, was dem Wohle des Königs
zuwider sei.*') Mittlerweile setzte auch Minister Rochow alle Hebel ein,
um den König gegen die Stände einzunehmen.
Als Schön am folgenden Tage im Schlosse erschien, fand er den
König sehr aufgebracht und schon halb entschlossen, den Landtag schnöde
abzufertigen. Auf das Zureden des alten Freundes beruhigte sich Fried-
rich Wilhelm allmählich und gestand: er wolle ja dasselbe wie die Stände,
aber zur rechten Zeit und nach seinem eigenen freien Ermessen; er deutete
auch einiges an von dem Plane eines großen Vereinigten Landtages, der
ihn im stillen immer beschäftigte. Im Vorzimmer sagte Schön nachher
zu Alexander Humboldt — wer will entscheiden, ob aus kluger Berech-
nung, oder in der Freude der ersten Überraschung?: — „der König ist
noch liberaler als ich.“ Diese Außerung wurde natürlich sofort über-
all verbreitet, und Schön, der in diesen Tagen mannigfache Beweise
königlicher Gnadc, den schwarzen Adlerorden und den Titel eines Staats-
ministers empfing, galt bei allen Ostpreußen schon für den unvermeid-
lichen Nachfolger des Ministers Rochow. Immerhin bewirkte Schöns
Vermittlung, daß der Landtagsabschied v. 9. Sept. eine sehr freundliche
Form erhielt.') Der König sagte darin: sein Vater habe, bewogen durch
die in anderen Ländern wahrgenommenen Ergebnisse, sein königliches
Wort in reifliche Erwägung gezogen und demgemäß beschlossen, „von den
herrschenden Begriffen sogenannter allgemeiner Volksvertretungen sich fern
haltend“, sein Wort einzulösen durch die Einführung der „provinzial= und
kreisständischen Verfassung. „Dieses edle Werk treu zu pflegen und einer
immer ersprießlicheren Entwicklung entgegen zu führen“, sei dem neuen
*) Prinz v. Preußen an Schön, 7. Sept. 1840. Antwort 8. Sept. früh.
**) Die Darstellung Schöns (Aus den Papieren III. 137) ist offenbar gefärbt und
lückenhaft. Der wirkliche Hergang ergibt sich aus dem Briefe des Prinzen von Preußen
aus den Andeutungen A. v. Auerswalds (Der preußiche Huldigungslandtag i. J. 1840,
S. 32 f.), endlich aus den mündlichen Erzählungen Schöns an Frl. v. Brederlow, die
mir von guter Hand mitgeteilt sind.