526 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
schnoberte. Auch in England bekundete sich eine gereizte, mißtrauische
Stimmung, seit Palmerston (1846) wieder in das Auswärtige Amt ein—
getreten war. Der Lord konnte seine Streitigkeiten mit Talleyrand nie
vergessen, überall in der Welt witterte er Pariser Ränke, sogar das lang—
same Anwachsen der französischen Seemacht schien ihm bedrohlich. Wie
zornig klagte Bunsen, als die Mittelmeermacht Frankreich sich in ihrem
Hafen Toulon einige neue Kriegsschiffe erbaute; er meinte, „es wäre eine
Wohltat für Europa, wenn England die Anmaßung der Bourbonen im
Mittelmeere demütigte!“ An der mediterranischen Fremdherrschaft der
Briten fand dieser Deutsch-Engländer nichts auszusetzen.)
Das Bündnis der Westmächte wankte; um so lebhafter bewarb sich
Guizot daher um das Wohlwollen des Wiener Hofes. Eifrig, und nicht
immer würdevoll beteuerte er der Hofburg seine konservative Gesinnung:
er wollte mit allen Mächten gemeinsam die Anarchie bekämpfen, in Italien
die Revolution niederhalten, in Spanien die Monarchie wiederaufrichten;
er bat dringend, man möge in Wien die Bedeutung der entente cordiale
der Westmächte nicht mißverstehen, nicht die „reinen Monarchien“ den
konstitutionellen feindlich gegenüberstellen. Nicht ohne Schadenfreude emp-
fing Metternich solche beflissene Versicherungen, unter Freunden spottete
er wohl: diese Westmächte nennen sich also selber unreine Monarchien!)
Gleichwohl fühlte er sich durch eine geheime Wahlverwandtschaft zu dem
bekehrten französischen Doktrinär hingezogen, das alternde Julikönigtum
wurde dem österreichischen Regierungssysteme immer ähnlicher. Ganz so
tugendstolz wie Metternich nannte Guizot seine Politik des Widerstandes
unc politique un peu grande seulement, und ganz so starr wie dieser
behauptete er seine pensée immuable. Erhaltung des Bestehenden —
so lautete der Wahlspruch in den Tuilerien wie in der Hofburg, und bald
wußte jedermann in der diplomatischen Welt, daß Metternich das einst
vcrabscheute Bürgerkönigtum jetzt als eine Stütze der europäischen Ord-
nung behutsam zu schonen suchte.
Derweil Österreich und Frankreich also einander näher traten, be-
mühte sich Zar Nikolaus, die neue Freundschaft mit England zu befestigen.
Wohl war er entschlossen, das sogenannte legitime Recht auch in Österreich
zu verteidigen; und niemals beirrte ihn die naheliegende Frage, ob er nicht
die nationalen Gegensätze des Nachbarreichs für panslawistische Zwecke aus-
beuten solle. Als ihm Metternich (1837) die Möglichkeit einer ungarischen
Revolution vertraulich vorstellen ließ, da befahl er seinem Kanzler:
„Danken Sie dem Grafen Ficquelmont für diese wichtige Mitteilung. Ich
bitte Gott, daß er Österreich die Prüfung, die sich vorbereitet, ersparen
möge. Ich hoffe, die Maßregeln sind gut getroffen, aber in jedem Falle
*) Bunsens Bericht, 18. Febr. 1847.
**) Guizot an Flahault, April 1844. Canitzs Bericht, 20. April 1844.