532 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
emporwuchs, um so widersinniger erschien das Verlangen nach einer
anderen Metropole, und doch konnte das erhoffte Byzantinerreich seine
Hauptstadt nur am Bosporus finden, alle Griechen in der großen Polis
blickten verächtlich auf das kleine Athen hernieder. Der kriegerische Geist
war völlig erloschen; für die Verstärkung des erbärmlichen Heeres hatten
jene großen Kaufherren, welche für Akademien und Bibliotheken Mil—
lionen spendeten, keine Drachme übrig. Ohne Geld und Waffen konnte
der König, wie lebhaft er es auch selber wünschte, dem nationalen Ehrgeiz
unmöglich entsprechen.
An dem österreichischen Gesandten, dem eitlen, federgewandten Prokesch
v. Osten fand er auch keine feste Stütze; denn Metternich wollte von dem
verabscheuten Staate der Revolution noch immer nichts hören, er sagte
scharf: „ich preise mich glücklich, weil ich an der Schöpfung dieser poli-
tischen Mißgeburt gar keinen Anteil genommen habe.“*7) Der einzige
zuverlässige diplomatische Ratgeber Ottos blieb der preußische Gesandte
Brassier de St. Simon, ein leichtlebiger, feingebildeter Weltmann, der einst
den Berliner Hof durch seine geistreichen Gespräche entzückt hatte, als
Dichter der Barkarole „Das Schiff streicht durch die Wellen“ auch in wei-
teren Kreisen bekannt war. Nebenbei trieb er somnambüle Zauberei, wie ja
fast alle preußischen Diplomaten dieser politischen Dilettantenzeit, Bunsen,
H. v. Arnim und andere, sich mit Homöopathie, Magnetismus und ähn-
lichen brotlosen Künsten vergnügten. Schon der alte König hatte die grie-
chische Politik der Wittelsbacher immer unterstützt und vor Jahren seinem
Neffen Adalbert die Annahme der hellenischen Krone untersagt, weil er den
bayrischen Verwandten ihre Zirkel nicht stören wollte. Der Nachfolger war
der philhellenischen Jugendträume noch immer eingedenk: er freute sich, daß
sein Gesandter dem geliebten Neffen treu zur Seite stand"*), und vernahm
es gern, wenn König Ludwig immer wieder dankbar aussprach: Preußen
allein zeigt sich in diesen schweren Tagen als Bayerns ehrlicher Freund.*7)
Freilich galt der preußische Staat, da er nicht einmal ein Kriegsschiff
in den Piräus senden konnte, bei den Griechen sehr wenig. Brassier
erwarb sich durch sein vertrautes Verhältnis zum Hofe nur den Haß
der Parteihäupter, und leider zeichneten sich auch die Ratschläge, die
aus Potsdam kamen, keineswegs durch Weisheit aus. Wie die Dinge
lagen, durfte König Otto, der doch nur von Volkes Gnaden regierte, den
Hellenen die ersehnte Verfassung nicht länger vorenthalten; je früher er
den notwendigen Schritt freiwillig wagte, um so sicherer konnte er hoffen,
die monarchische Macht notdürftig aufrecht zu halten. Der Vater in
München aber und der Oheim in Sanssouci beschworen ihn beide, der
konstitutionellen Partei nichts zuzugestehen.
„)Canitzs Bericht, 18. Okt. 1843.
*“#) König Friedrich Wilhelm, Marginalnote für Thile, 6. Dez. 1845.
*7*) Küsters Berichte, München, 21. Jan., 30. März 1844.