Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

532 V. 7. Polen und Schleswigholstein. 
emporwuchs, um so widersinniger erschien das Verlangen nach einer 
anderen Metropole, und doch konnte das erhoffte Byzantinerreich seine 
Hauptstadt nur am Bosporus finden, alle Griechen in der großen Polis 
blickten verächtlich auf das kleine Athen hernieder. Der kriegerische Geist 
war völlig erloschen; für die Verstärkung des erbärmlichen Heeres hatten 
jene großen Kaufherren, welche für Akademien und Bibliotheken Mil— 
lionen spendeten, keine Drachme übrig. Ohne Geld und Waffen konnte 
der König, wie lebhaft er es auch selber wünschte, dem nationalen Ehrgeiz 
unmöglich entsprechen. 
An dem österreichischen Gesandten, dem eitlen, federgewandten Prokesch 
v. Osten fand er auch keine feste Stütze; denn Metternich wollte von dem 
verabscheuten Staate der Revolution noch immer nichts hören, er sagte 
scharf: „ich preise mich glücklich, weil ich an der Schöpfung dieser poli- 
tischen Mißgeburt gar keinen Anteil genommen habe.“*7) Der einzige 
zuverlässige diplomatische Ratgeber Ottos blieb der preußische Gesandte 
Brassier de St. Simon, ein leichtlebiger, feingebildeter Weltmann, der einst 
den Berliner Hof durch seine geistreichen Gespräche entzückt hatte, als 
Dichter der Barkarole „Das Schiff streicht durch die Wellen“ auch in wei- 
teren Kreisen bekannt war. Nebenbei trieb er somnambüle Zauberei, wie ja 
fast alle preußischen Diplomaten dieser politischen Dilettantenzeit, Bunsen, 
H. v. Arnim und andere, sich mit Homöopathie, Magnetismus und ähn- 
lichen brotlosen Künsten vergnügten. Schon der alte König hatte die grie- 
chische Politik der Wittelsbacher immer unterstützt und vor Jahren seinem 
Neffen Adalbert die Annahme der hellenischen Krone untersagt, weil er den 
bayrischen Verwandten ihre Zirkel nicht stören wollte. Der Nachfolger war 
der philhellenischen Jugendträume noch immer eingedenk: er freute sich, daß 
sein Gesandter dem geliebten Neffen treu zur Seite stand"*), und vernahm 
es gern, wenn König Ludwig immer wieder dankbar aussprach: Preußen 
allein zeigt sich in diesen schweren Tagen als Bayerns ehrlicher Freund.*7) 
Freilich galt der preußische Staat, da er nicht einmal ein Kriegsschiff 
in den Piräus senden konnte, bei den Griechen sehr wenig. Brassier 
erwarb sich durch sein vertrautes Verhältnis zum Hofe nur den Haß 
der Parteihäupter, und leider zeichneten sich auch die Ratschläge, die 
aus Potsdam kamen, keineswegs durch Weisheit aus. Wie die Dinge 
lagen, durfte König Otto, der doch nur von Volkes Gnaden regierte, den 
Hellenen die ersehnte Verfassung nicht länger vorenthalten; je früher er 
den notwendigen Schritt freiwillig wagte, um so sicherer konnte er hoffen, 
die monarchische Macht notdürftig aufrecht zu halten. Der Vater in 
München aber und der Oheim in Sanssouci beschworen ihn beide, der 
konstitutionellen Partei nichts zuzugestehen. 
„)Canitzs Bericht, 18. Okt. 1843. 
*“#) König Friedrich Wilhelm, Marginalnote für Thile, 6. Dez. 1845. 
*7*) Küsters Berichte, München, 21. Jan., 30. März 1844. 
 
	        
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