Die Adresse. Erklärung der Rechte. 623
Herrn verteidigte. Bei den Straßenaufläufen dieser Apriltage warf ihm
der Pöbel die Fenster ein; es war ein Schatten kommender Ereignisse, die
liberalen Zeitungen entschuldigten die Heldentat mit der fragwürdigen
Versicherung, der Anblick der Spiegelscheiben des bescheidenen prinzlichen
Palastes hätte die armen Hungerleider gar zu schmerzlich an ihr eigenes
Elend erinnert.
Um die Parteien zu versöhnen, beantragte endlich Alfred v. Auers-
wald eine neue, etwas schärfere Fassung des Arnimschen Adreßentwurfs.
Der treue Mann, der dem Monarchen in jungen Jahren so nahe gestanden
hatte, wollte einen Bruch mit der Krone durchaus vermeiden, jedoch auch
seine Rechtsüberzeugung nicht aufgeben. In der also umgestalteten Adresse
erklärten die Stände nach warmen Dankesworten: sie würden die Ehre
und Kraft der Krone, aber auch die ständischen Rechte „beide als un-
schätzbare Kleinode bewahren und pflegen“; demnach behielten sie sich vor,
die Abweichungen des Patents von den früheren Gesetzen noch näher zu
erörtern, und baten den Monarchen solche Widersprüche demnächst aus-
zugleichen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen; er
gab den Verhandlungen des Landtags von vornherein ihr Gepräge: den
Charakter einer ehrfurchtsvollen und besonnenen, aber festen und ent-
schlossenen Oppositionspolitik. In gnädigem Tone ließ der König
(22. April) antworten: „Die Gesetzgebung vom 3. Febr. ist in ihren
Grundlagen unantastbar, wir betrachten sie aber deshalb nicht als abge-
schlossen, vielmehr als bildungsfähig.“ Darum gab er den Ständen an-
heim, weitere Anträge zu stellen, und verhieß sogar von freien Stücken,
den Vereinigten Landtag spätestens in vier Jahren wieder zu versammeln.
Also wich er schon selbst einen Schritt zurück, was ihm schwer genug
fallen mußte, da er doch soeben erst seine Stände vor ungenügsamer Neu-
lingshast gewarnt hatte. Zu dem Versprechen periodischer Einberufung
konnte er sich gleichwohl nicht entschließen, und doch fühlten jetzt schon alle
Unbefangenen, auch die auswärtigen Diplomaten, daß diese Zusage allein
den unseligen Streit abzuschneiden vermochte. Sogar der hannoversche
Gesandte Graf Knyphausen wagte in solchem Sinne zu berichten, was
der alte Welfe freilich durch die Randbemerkung rügte: „Gelesen, bin
aber gar nicht verständen mit die angeführten Wegen.“ 7)
Die Rechtsfrage blieb also noch immer ungelöst, und Vincke hielt in
seinem ungestümen Rechtstrotze nunmehr für geboten, daß der Landtag dem
Könige eine feierliche „Erklärung der Rechte“ übergäbe. Offenbar schwebte
ihm das Beispiel der Bill of rights vor Augen; Dahlmanns Geschichte der
englischen Revolution war ja zur Zeit in jedermanns Händen. Aber wie
wenig hatten die Zustände Preußens mit der englischen Geschichte gemein.
Die englische Erklärung der Rechte wurde einem fremden Usurpator auf-
*) Knyphausens Bericht, 19. April 1847.