Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Wahl der Vereinigten Ausschüsse. 641 
gemäß um Beschränkung des Wirkungskreises der Vereinigten Ausschüsse; 
sie baten ihn endlich, „mit Beziehung auf die frühere Gesetzgebung und 
aus Gründen der Nützlichkeit und inneren Notwendigkeit“ die Wahl der 
Ausschüsse für jetzt auszusetzen. Eine schwüle Stimmung herrschte im 
Hause, und bei dem letzten Hoffeste auf Sanssouci gedachte Thadden— 
Trieglaff ahnungsvoll des Liedes: O Richard, o mon roi, tout l'univers 
t'abandonnel Des Königs Antwort lautete abschlägig, aber nicht ganz 
ungnädig, obgleich die Stände den Monarchen mittlerweile durch den un— 
glücklichen Beschluß über die Ostbahn bitter gereizt hatten. Im Stillen 
fühlte Friedrich Wilhelm längst, daß die periodische Berufung der Ver— 
einigten Stände nunmehr unvermeidlich war; vorher aber mußte alles, 
was er in den Verordnungen vom 3. Februar anbefohlen hatte, gehorsam 
ausgeführt werden, dann erst wollte er frei, ungedrängt, nach seiner könig— 
lichen Weisheit entscheiden. Deshalb versprach er, die Anträge auf perio— 
dische Einberufung des Landtags und auf Beschränkung der Ausschüsse 
„in sorgsame Erwägung zu ziehen“; dagegen sollten die Ausschüsse jetzt 
sogleich neu gewählt werden, da er ihnen demnächst den lange vorbereiteten 
Entwurf des neuen Strafgesetzbuchs zur Begutachtung vorlegen wollte. 
Diese königliche Botschaft erschien am 24. Juni. Schon zwei Tage 
darauf sollte der Landtag geschlossen werden, der König selbst war in— 
zwischen bereits in tiefem Unmut abgereist. Da galt es denn rasch zu 
entscheiden, ob man die Wahl vornehmen dürfe, und der Landtag endete, 
wie er begonnen, mit einem unfruchtbaren Rechtsstreite. Die Vereinigten 
Ausschüsse waren eine gänzlich verfehlte Künstelei — daran zweifelte eigent— 
lich niemand mehr — aber vor sechs Jahren durch die absolute Krone 
geschaffen, bestanden sie unzweifelhaft noch zu Recht; der Landtag selbst 
hatte das nicht bestritten und folglich war er auch zu der gesetzlichen Neu— 
wahl verpflichtet. Daß die Rechte des Landtags beeinträchtigt würden, 
wenn ein von ihm selbst erwählter Ausschuß ein unmaßgebliches Gutachten 
über das Strafgesetzbuch erstattete — diese spitzfindige Behauptung konnte 
sich nur auf gewaltsam herbeigezogene, dem Volke unverständliche Rechts— 
bedenken stützen. Da jedermann wußte, daß der König geneigt war, die 
periodische Einberufung des Landtags in einer nahen Zukunft zu bewilli— 
gen, so gebot schon die monarchische Ehrfurcht, daß man ihn nicht durch 
störrischen Eigensinn erbitterte; und wenn die Opposition nicht wählte, 
dann schloß sie sich ja selbst von den Vereinigten Ausschüssen aus. 
Alle diese handgreiflichen politischen Bedenken galten dem unaufhalt— 
samen „Abgeordneten der Grafschaft Mark“ gar nichts. In den stürmischen 
Vorberatungen verlangte Vincke kurzweg, man müsse sich der Wahl ent— 
halten. Das nannte er Recht. Der Ruhm der unbedingten Folgerichtigkeit, 
der von praktischen, dem Vaterlande dienenden Staatsmännern immer ge— 
ring geschätzt wird, war ihm eines und alles. Diesmal aber versagten 
sich seine ostpreußischen Freunde, die ihre strenge Rechtsgesinnung doch 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 41
	        
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