Doppelhochzeit in Madrid. 707
vermählt, der zur Verherrlichung des Possenspiels auch noch den Königs—
titel erhielt. Noch am selben Tage, aber ein wenig später ließ sich die In—
fantin Luise mit dem Herzog von Montpensier trauen, so daß der Tugend—
held Guizot unschuldig versichern konnte, die beiden Hochzeiten hätten
nicht gleichzeitig stattgefunden! Nun kam, was jeder Menschenkenner vor—
aussehen mußte. Die junge Königin jagte ihren elenden Gatten schon
nach wenigen Wochen aus dem Palaste und entschädigte sich sodann reich—
lich mit verschiedenen Günstlingen; die Kinder blieben nicht aus, und da
diese Sprößlinge ihr Thronfolgerecht doch nur von der Mutter herleiten
konnten, so kam auf die Väter wenig an. Spaniens französische Gönner
bewirkten also, daß diese Krone, die nach so vielen Freveln vornehmlich
der sittlichen Kräftigung bedurfte, ganz in den Kot sank und das Ma—
drider Schloß als eine Stätte geschmackloser Ausschweifungen allgemein
verhöhnt wurde. Von einem politischen Einfluß des französisch gesinnten
sogenannten Königs war keine Rede, Isabella schwankte haltlos zwischen
den beiden hadernden Parteien: Montpensier aber und seine Söhne
konnten als Fremdlinge niemals irgend ein Ansehen erlangen. Der
nächste politische Zweck der mit so schnöden Mitteln erstrebten Doppel—
heirat war mithin ganz verfehlt, und für den eitlen Glanz der großen
bourbonischen Familienverbindung zeigte das konstitutionelle Frankreich
auch nur wenig Sinn.
Gewaltig wirkte die Komödie der spanischen Irrungen auf Europas
gesamte Politik zurück. Die gerühmte Entente cordiale, die auch nach
den orientalischen Wirren noch notdürftig zusammengehalten hatte, ging
plötzlich ganz aus den Fugen. In offener Feindschaft standen die beiden
Westmächte einander fortan gegenüber. Ludwig Philipp schloß sich noch
enger als bisher der reaktionären Politik der Hofburg an; Palmerston
aber zeigte sich jetzt erst ganz als Lord Feuerbrand, überall in der Welt
suchte er den Aufruhr gegen die konservativen Mächte anzuschüren. Der
heiligste politische Grundsatz aller Briten, der Satz, daß nur England
berechtigt ist, andere Mächte zu belügen, war durch die abgefeimten Pa-
riser Spieler gar zu gröblich verletzt worden, und mit der ganzen Ent-
rüstung des betrogenen Betrügers ließ Palmerston nunmehr seine Presse
wider die französische Treulosigkeit losfahren. Im Grunde hatten sich
beide Höfe bei der gemeinsamen Mißhandlung ihres spanischen Schützlings
gleich würdelos betragen, Frankreich allerdings noch etwas unsäuber-
licher als England. Da der Tuilerienhof jedoch den Preis davon ge-
tragen hatte, so erschien er den Unkundigen als der allein schuldige Teil;
die wütenden Anklagen der englischen Zeitungen hinterließen selbst in
Frankreich einen so starken Eindruck, daß der längst geschädigte Ruf des
Juli-Königtums nun vollends zu Grunde ging, und das Selbstlob der
Guizotschen Blätter „überall ist Frankreich geliebt und gefürchtet“ auch
den Franzosen wie Hohn klang.
45 *