730 V. 10. Vorboten der europäischen Revolution.
Feldmarschall Radetzky erhielt Befehl, sich jederzeit zum Einmarsch in
den Kanton Tessin bereit zu halten, und als die Bevollmächtigten der
Kantone im April 1847 in Wien zu einer Postkonferenz zusammenkamen,
da scheute Metternich sich nicht, die Sonderbundskantone in feierlicher
Ansprache zur Ausdauer aufzufordern.
Also verletzten die Mächte, noch bevor der Bürgerkrieg begonnen
hatte, gröblich die der Eidgenossenschaft zugesicherte Neutralität; sie er—
klärten sich von Haus aus für die eine der streitenden Parteien, deren
Recht doch mindestens zweifelhaft blieb; sie merkten nicht, daß sie gerade
durch ihre ungerechte Feindseligkeit den Haß der gesamten liberalen Welt
Europas herausforderten und dem nationalen Verfassungskampfe ein
weltbürgerlich-radikales Gepräge gaben, das ihm eigentlich fremd war.
Der alte Metternich gebärdete sich zuweilen wie ein Unsinniger; er meinte,
als der Krieg herankam: die Geschichte kenne kein Beispiel einer so voll—
kommenen Negation der Grundlagen der sozialen Ordnung 1— und doch,
was verlor Europa, wenn der Stier von Uri gezwungen wurde, seine
scharfen Hörner vor dem historisch ebenso ehrwürdigen Kreuzbanner der
Eidgenossen etwas einzuziehen? Zum Glück war alles, was Metternich
jetzt noch unternahm, greisenhaft, halb, schwächlich; über geheime Auf-
reizungen und klägliche Almosen ging er nicht mehr hinaus. So viele
Jahre daher hatten die Mächte in unzähligen Noten den Eidgenossen Ein-
tracht, Ruhe, Mäßigung gepredigt. Da kündigten im Oktober 1847 die
Gesandten des Sonderbundes der Tagsatzung den Frieden auf; der
Bürgerkrieg war erklärt.
Sofort entwarf Guizot eine Vermittlungsnote im Namen der fünf
Mächte, deren Gesandte mehrenteils den Vorort Bern schon verlassen
hatten, weil sie mit Ochsenbeins radikaler Plumpheit nicht in Berührung
kommen wollten. Guizot selbst dachte über die Schweizer Wirren ganz
wie Metternich, desgleichen der streng klerikale Gesandte Graf Bois le
Comte. König Ludwig Philipp aber, der in Frankreichs auswärtiger Po-
litik doch stets den Ausschlag gab, zeigte sich bedenklicher, er hoffte das
freundliche Einvernehmen mit England womöglich wiederherzustellen und
wünschte jedenfalls eine bewaffnete Einmischung in der Schweiz zu ver-
meiden. Guizots Note verlangte, daß die Ausweisung der Jesuiten der
Entscheidung des Papstes unterbreitet werden sollte, der, den Vätern der
Gesellschaft Jesu wenig günstig, doch nur ungern in diese heiklen Händel
sich einließ; sie forderte ferner sofortige Entwaffnung beider Teile und
Anerkennung der Souveränität der Sonderbundskantone. Sie sollte
mithin den Ausbruch des Bürgerkriegs verhindern und konnte nur dann
etwas wirken, wenn sie der Tagsatzung noch vor Beginn der Feind-
seligkeiten eingehändigt wurde.
Welch eine köstliche Gelegenheit für Palmerston, endlich Rache zu
nehmen für die spanischen Heiraten! Er brauchte nur die diplomatische