Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

746 XXVI. Zur Geschichte der Burschenschaft. 
nachricht in Jena eingetroffen war, nach Wunsiedel abgereist, um Sands unglückliche 
Eltern zu unterrichten, und man begnügte sich vorläufig, ohne jeden Erfolg, eine Haus- 
suchung bei ihm vorzunehmen. Erst am 7. April, mehrere Tage nach seiner Rückkehr, 
stellte sich Asmis der Kommission — so gemütlich ging alles zu. Er erklärte unschuldig, 
das Verfahren gegen ihn hätte ihn „frappiert“, darum komme er so spät. Die Kom- 
mission nannte ihn ganz richtig einen gutmütigen, unbedeutenden, sehr unbeholfenen, 
treuherzigen Menschen, der den Mörder herzlich liebe und als politischer Schwärmer 
wohl zu mancher Tollheit fähig sei. Für einige Zeit wurde er zur Untersuchungshaft 
in das Karzer abgeführt. Bei den späteren Verhören stellte sich aber ganz unzweifelhaft 
heraus, daß der junge Mann von den Mordplänen seines Freundes nicht das mindeste 
geahnt hatte, sonst hätte er sie sicherlich vereitelt; „Mord bleibt Mord“ sagte er 
ehrlich. 
Ganz anders verlief die Untersuchung gegen Dr Karl Follen (oder Follenius, wie 
er sich damals noch nannte). Follen trat fest und trotzig auf, mit der Sicherheit eines 
gewandten Advokaten; bei heiklen Fragen zeigte er stets eine erstaunliche Gedächtnis- 
schwäche, die dem berechnenden, willensstarken Manne wunderlich anstand; er spielte mit 
der Kommission wie die Katze mit der Maus. In diesem kleinen Robespierre lag eine 
starke terroristische Kraft. Die Briefe der Freunde nannten ihn oft „einen überwiegenden 
Menschen“, der jeden anderen sittlich zermalmen und zerknirschen könne; einmal baten 
sie ihn, einen hitzköpfigen jungen Genossen von unvorsichtigen politischen Außerungen 
abzuhalten, er allein vermöge das. Da Follen im ersten Verhöre (2. April) sich an nichts 
mehr recht erinnern konnte, so wurde sofort Haussuchung bei ihm gehalten. Er sah 
ruhig mit an, wie der Universitätssekretär und ein Registrator seine Papiere zusammen- 
suchten. Plötzlich nahm er ein Papier aus dem Haufen — ein an ihn selbst adressiertes 
Schreiben aus Eisenach vom Februar — steckte das Schriftstück in die Tasche und er- 
klärte: dieser Brief gehöre seinem Bruder — was sich späterhin als unwahr erwies. Dann 
eilte er aus dem Zimmer und kehrte erst nach einigen Minuten zurück. Nunmehr 
führten ihn die erschrockenen Beamten alsbald wieder vor die Kommission. Hier versprach 
er, seinen Bruder um die Erlaubnis zur Herausgabe des Briefes zu bitten, er ging hin- 
weg und überbrachte nach längerer Frist die Meldung: sein Bruder verweigere die 
Auslieferung. Jetzt endlich gelangte die Kommission zu dem weisen Schlusse: der Brief 
sei wohl schon vernichtet, und man müsse in Eisenach dem wahrscheinlichen Absender 
nachforschen. Follen blieb auf freiem Fuße und benutzte die Zeit, um mit Asmis zu ver- 
handeln. Einige Leute auf der Gasse sahen ihn, wie er aus einem dichtbenachbarten 
Hause, aus dem Fenster des stud. v. Wintzingerode mit dem gefangenen Asmis im Karzer 
sprach; ein Student stand mit am Fenster, mehrere der Zeugen glaubten, das wäre 
Wintzingerode selbst gewesen. Selbst die Kommission konnte sich jetzt der Ver- 
mutung nicht erwehren, daß dort Kollusion getrieben worden sei. Follen aber behauptete, 
er hätte den Gefangenen nur freundschaftlich begrüßt, und als man ihn sodann 
nach jenem Studenten, dem einzigen Ohrenzeugen des Zwiegesprächs befragte, da wurde 
er wieder von seiner krankhaften Gedächtnisschwäche befallen (Protokoll vom 3. Mai). 
Er konnte sich auf den jungen Mann schlechterdings nicht besinnen, und das Gespräch 
war doch erst vor wenigen Tagen abgehalten worden. Tags darauf am 4. Mai wurde 
er von dem Universitätssekretär nochmals vernommen; wieder konnte er sich an nichts 
mehr erinnern, indes versprach er, bis zum Ende der Woche mitzuteilen, ob ihm der Name 
inzwischen eingefallen wäre. Am 7. Mai schrieb er in der Tat an die Kommission: er 
wisse nichts; „die Sache war mir damals so unbedeutend, und mein Gedächtnis ist für 
solche mir unbedeutende Dinge so schwach.“ Der geniale Gedanke, nunmehr Wintzinge- 
rode selbst zu befragen, scheint der Kommission nicht aufgestiegen zu sein; die Protokolle 
wenigstens sagen nichts darüber. 
Bei einem so urgemütlichen Verfahren hatte die grundsätzliche Verlogenheit der 
Unbedingten leichtes Spiel. Aus verschiedenen Anzeichen und Aussagen ergab sich mit 
höchster Wahrscheinlichkeit, daß Follen, obgleich er selbst in beschränkten Verhältnissen
	        
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