Full text: Die Geschichte Württembergs.

8 I. Urgeschichte Schwabens und Württembergs. 
so wäre vielleicht 800 Jahre später keine Reformation nöthig 
gewesen. 
Die Völkerwander ung (375—476) hatte auch an inneren Ein- 
richtungen, an Sitten und Gebräuchen manches geändert. Die deutschen 
Könige blieben allerdings nach wie vor von der Wahl des Volks und von ver 
Entscheidung der Volksversammlung abhängig. Sie durften jedoch keine Steuern 
erheben; von den einzelnen Stämmen erhlelten sie Ehrengeschenke, von den be- 
siegten Völkern Tribute. Von erobertem Land fiel dem König ein größeres Allod 
zu, wo er seinen Hof hielt. Außerdem hatte er noch im ganzen Land herum seine 
Paläste, Pfalzen, wo er auf Durchzügen oder bei Gautagen wohnte. Stände 
waren es drei: Adel, gemeine Freie und Unfreie. Jeder Freie hatte sein 
Allod, das ihm nie vom Staate entrissen werden durfte, auch wenn er sich noch 
so schwer vergangen hatte. Das Hausrecht war unbedingt heilig, jedes Haus 
heiliger, als jetzt eine Kirche. Das Allod durfte nur auf die Söhne vererbt 
werden; Weiber durften es nicht besitzen; diese aber wie alle weiblichen Famillen= 
glieder hatten das Recht, im Hause anständig zu leben. Erhielt der älteste Sohn 
allein das Allod, so mußte er allen übrigen Verwandten ihren Theil, theils von 
der Fahrhabe, theils von dem Ertrag des Allods zu ihrer Nothdurft geben. 
Der Familienvater war das Haupt der ganzen Familie und Verwandtschaft, 
der Sippez; er hieß der Mund. Die Sippe stand in seinem Bann. Die 
männlichen Glleder, Schwertmagen, blieben bis zur Verheirathung im Bann;z 
wer es nicht that, blieb zeitlebens im Bann und väterlichen Gehege; er hieß 
daher Hagestolz. Die Hauptbeschäftigung der Freien war dle Jagd. Habichte 
wurden auf Vögel gebeizt. Man jagte Auerochsen, Büffel, Bären, Wölfe, 
Wildschweine u. Lw. Die Unfrelen, Leibelgenen waren eigentliche Sklaven 
(Slaven, Slavonier), Kriegsgefangene von unserem östlichen Nachbarvolk. 
Ebenso wurden die Zahlungsunfähigen Lelbeigene. Sie hatten das Gut 
des Freien zu bebauen und diesem einen genau bestimmten Theil des Ertrags ab- 
zuliefern. Aus den Reihen der Unfreien giengen die Handwerker (Bäcker, Müller, 
Schmiede u. a.) hervor. 
Edle und Freie bildeten die Volksversammlung, die unter freiem 
Himmel auf der Malstatt abgehalten wurde. Diese war durch einen heiligen 
Baum oder große Steine bezeichnet. Solche Malstätten waren in Württemberg 
z. B. bei Cannstatt, in Tübingen auf dem Frohnacker, bei Langenau, bei Ber- 
maringen unter der Linde. Allgemeine Volksversammlungen, bei denen mehrere 
Gaue zusammentraten, wurden jährlich nur einmal gehalten, in Schwaben im 
März, später im Mai. 
Die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten war vom König 
den Herzogen, seinen Stellvertretern, übertragen, welche die Richter in den Volks- 
versammlungen aufzustellen und das Kriegswesen zu ordnen hatten. Unter ihnen 
standen die Grafen. Die Pfalzgrafen waren die obersten Richter im Namen 
des Königs auf dessen Gütern, die Land grafen in den Provinzen und die 
Markgrafen waren die Hüter der Grenzgebiete. Die Grafen hielten sich mei- 
stens in der Umgebung der Herzoge auf und befehligten unter diesen im Kriege. 
Nach den Grafen kamen die Centvorsteher oder Schultheißen. Zu einem 
Centen gehörten etwa hundert Männer oder Sippen, die aus ihrer Mitte den 
Vorsteher wählten. Mit der Beschränkung der herzoglichen Macht und der spä-
	        
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