Außerlich wird der Anschein einer großen Staateaktion er-
weckt. Auf dem roten Teppich der Regierungsestrade wimmelt
es von Kommissaren, der ganze Heerbann ist aufgebaoten.
Draußen große Auffahrt der Regierungsautos, da die Talmi-
potentaten von heute die paar Minuten vom Schloß zum
Landestheater scheuen. Und die sogenannten Programmreden
verbreitet der offiziöse Telegraph im Wortlaut, und im Wort-
laut bekommt sie schon frühmorgens jeder Pressevertreter,
damit nur ja recht viel Raum in den Zeitungen dafür belegt
werden kann. Oie Reden sind in einer Fraktionesitzung der
Sozialdemokraten durchgesprochen und von der Fraktion ge-
nehmigt worden. Dann haben die Zentrumemitglieder der
Regierung ihr Amen dazu gesagt. Ee sind also reine Partei-
reden, nichts weiter. Nun aber soll der Erdball aufborchen.
Es ist möglich, daß an der Pariser Börse, wo man ebensogut
Deutsch versteht wie in der Burgstraße zu Berlin, einiges
aus diesen Reden ales guter Witz kolportiert werden wird.
Auch mag Reuter vielleicht beiläufig ein paar der de-
mütigsten Stellen zitieren. Die Wirkung aber ist gleich Aull.
Oie Zeiten, wo man im Auslande die Hand an die Ohren
legte, wenn eine kaiserlich deutsche Regierung sprach, sind
dabin. «
Der jetzt auf dem Stuhle Bismarcks sitzt, der ehemalige
Bureauvorsteher Bauer, macht einen sehr biederen und
sympathischen Eindruck. Man freut sich seiner behaglichen
ostpreußischen Mundart. Man dentkt an die köstliche Ge-
schichte vom Klempnermeister Kaddereit aus Insterburg, der
einen Handwerkerverein begründen wollte, wenn Bauer von
„Politihkern“ spricht, die „Angtankte“ in „BVersalch“ erwähnt
und dies oder jenes „bejrießt“. Man könnte stundenlang so
zuhören, nur wird die Rechte stellenweise störend heiter.
Oaß Bauer ihr mit stärkster roter Phraseologie zuleibe rückt,
rührt sie nicht im geringsten, denn er verdirbt die Kraftstellen
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