Full text: Das Interregnum.

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Subjekte eines eigenen Willens und zur Erfüllung eines grossen Krei- 
ses staatlicher Aufgaben nicht nur nach: der Weise von Staaten '), 
sondern als wirkliche Staaten mit eigenen Herrschaftsrechten berufen. 
Sie sind nicht mehr souverän, weil durch den Willen des ihnen über- 
geordneten, allein souveränen Reiches bestimmbar; aber der Mangel 
der Souveränetät schliesst die Existenz eines Staates nicht aus. Sie 
sind nicht zu blossen Reichsprovinzen, Selbstverwaltungskörpern de- 
gradirt; denn das Reich hat ihnen die Staatsgewalt, eine Summe 
eigener Herrschaftsrechte ihren Unterthanen gegenüber nicht genom- 
men. „Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preussen“ u. s. w.?) 
Das Reich ist Bundesstaat, nicht Einheitsstaat. ?) 
Wir fragen weiter: wer ist Träger dieser Staatsgewalt, wem steht 
die Herrschaft im Reiche zu eigenem Rechte zu? Von einigen Seiten 
wird hierauf geantwortet: dem Reiche selbst als einer Idealpersön- 
lichkeit des öffentlichen Rechts. *) Diese Antwort ist ebenso an sich 
richtig wie selbstverständlich; ist das Reich willensbegabte Gesamt- 
persönlichkeit, so ist es auch natürlich Inhaber seines obersten Willens, 
seiner beherrschenden Willensmacht. Die Staatsrechtswissenschaft 
versteht aber unter dem Träger der Staatsgewalt noch etwas anderes 
als den Staat selbst, nämlich diejenige physische Person im Staate, 
welcher die Herrschaft als eigenes Recht zusteht, welche Herrscher, 
nieht Unterthan ist.’) Das Reich selbst kann sonach in diesem Sinne 
nieht Träger der Reichsgewalt sein. Man gewinnt also auch nichts, 
wenn man als Träger der Reichsgewalt die Gesamtheit der deutschen 
Staaten bezeichnet. 6) Das ist ebenso richtig wie die Behauptung, dass 
das Reich selbst Träger der Rejchsgewalt sei; aber auch der einzelne 
Staat ist zwar Person, aber nicht sinnlich wahrnehmbare, physische 
Person: der Träger seiner Gewalt ist der Monarch oder — in den 
  
1) Haeneı, Studien I. S. 66 u. ö.; Deutsches Staatsrecht I. S. 798 ff. 
2) RV.a. 1. 
3) Auf diese Auffassung kommt hinaus insbes. Zorn, Staatsrecht des 
deutschen Reichs I. S. 46 ff., Zeitschr. f. d. ges. Staatswissensch. XXX VII. 8. 310 ff. 
und Hirths Annalen (1884) S. 453ff. 
4) v. GERBER, Grundzüge S. 251; v. Rönne, Staatsrecht des deutschen Reichs I. 
S. 63; Zorn, Staatsrecht I. S. 61; LaBAnn I. S. 87. Zorn macht einen Unterschied 
zwischen Inbaber und Träger der Staatsgewalt. Als ersteren bezeichnet er das 
Reich, als letzteren die fünfundzwanzig Souveräne. Man versteht aber unter 
„Inhaber“ und „Träger“ der Staatsgewalt gemeiniglich dasselbe. 
5) S. oben S. 63ff. 
6) Dagegen G. Meyer, Staatsrecht S. 347. Die Polemik JELLINEKS, System 
S. 287, gegen MEYER verkennt den Begriff des Trägers der Staatsgewalt.
	        
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