Full text: Das Interregnum.

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regelmässig gemeinschaftliche Berathung und Abstimmung beider 
Kammern verlangt, so in den Niederlanden (Verfassung von 1848: 
a. 24)'), Belgien (a. 85), Rumänien (a. 84), während die Unions- 
(sogenannte Reichs-Jakte von 1815 für die in Realunion verbundenen 
Staaten Schweden und Norwegen ein komplizirtes Vereinigungsver- 
fahren der zunächst getrennt verhandelnden und wählenden Kollegien 
des schwedischen Reichstags und des norwegischen Storthings auf- 
stellt (a. 3). Der Wichtigkeit des Wahlakts wird durch die For- 
derung der Anwesenheit von drei Viertheilen der Mitglieder beider 
Kammern bei der Wahl in Rumänien (a. 84), ebenda wie auch in 
Griechenland (a. 52) durch die Forderung einer Majorität von zwei 
Drittheilen sämtlicher Stimmen für die Giltigkeit der Wahl Rechnung 
getragen. Was die Person des zu Wählenden anlangt, so gewährt 
die Reichsakte der provisorischen Regierung ein Vorschlagsrecht (a. 3). 
Eine Beschränkung in der Person macht die rumänische Verfassung 
(a. 84), indem sie für den neuen Monarchen das Erforderniss der 
Zugehörigkeit zu einer souveränen Fürstenfamilie des westlichen 
Europa aufstellt, während andererseits die serbische Konstitution 
(a. 10) den neuen Fürsten aus der Zahl der serbischen Bürger ge- 
wählt wissen will, aber die Familie Karageorgevitch für ewig vom 
serbischen Throne ausschliesst; so untersagt auch die Berliner Kon- 
gressakte den Bulgaren, ihren Fürsten aus den Mitgliedern der 
regierenden Häuser der europäischen Grossmächte zu wählen (a. 3). 
III. Die Wahl, wie die Bestimmung des neuen Monarchen in 
den erwähnten Verfassungen durchweg genannt wird, erfordert nun 
eine etwas genauere Charakterisirung, besonders weil sich allein aus 
einer solehen ein richtiger Schluss auf die Art der Besetzung des 
erledigten Thrones in denjenigen Staaten ziehen lässt, die einer aus- 
dräcklichen Regelung dieser Frage ermangeln. 
Die Wahl des Staatsoberhauptes einer Monarchie ist von anderen 
Wahlen inhaltlich fundamental verschieden. Der Zweck einer Wahl 
— im staatsrechtlichen Sinne — ist der Regel nach die Vereinfachung 
staatlicher Willensbildung. Weil es schwierig oder unmöglich ist, 
dass grössere Mengen von Individuen, denen in ihrer Gesamtheit eine 
öffentliche Gewalt zusteht, oder denen vom Rechte eine Mitwirkung 
zur Bildung eines Gesamtwillens zugesprochen ist, diese Funktionen 
jeder Zeit auch in ihrer Gesamtheit ausüben, so bezeichnen sie durch 
die Wahl den oder die Einzelwillen, die anstatt ihrer, anstatt der 
ungefügen Menge für eine gewisse Zeit und in gewissem Umfange 
  
1) Vgl. die Verfassung von 1815, a. 27. 24.
	        
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