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in demselben Momente, in welchem der neue widerrechtliche Zustand
zu einem rechtlichen wird, das frühere Subjekt der Staatsgewalt
beseitigt. Dieser Zeitpunkt mag mit Genauigkeit nicht festzustellen
sein, vorhanden ist er aber jedenfalls, und deshalb tritt ein Inter-
regnum rechtlich nicht ein. Darum ist die sogenannte ueooßaot-
Asla@ in Griechenland vom Jahre 1862 kein Interregnum im Rechts-
sinn. Der abgesetzte König Otto hat Griechenland ohne Abdankung
verlassen; in seiner Proklamation vom 12.j24. Oktober 1862!) sagt
er ausdrücklich: „ich habe mich entschlossen, für jetzt das Land
zu verlassen“, und seine Familie hat nachmals noch bei mehreren
Gelegenheiten ihre Ansprliche auf den griechischen Thron durch feier-
liche Proteste (vom 12. April und 17. Juni 1863) geltend gemacht.?)
Aus demselben Grunde kann für Spanien die Zeit zwischen der Ent-
setzung der Königin Isabella im Herbste des Jahres 1868 bis zur
Thronbesteigung Amadeos am 2. Januar 1871 ein Interregnum nicht
genannt werden. Die Revolution, in deren Gefolge die provisorische
Regierung und die sogenannte Regentschaft Serranos Spanien be-
herrschten, hat rechtlich das Monarchenthum der bourbonischen
Dynastie nicht affiziren können. ?)
5. Man hat, nicht gerade geschickt, auch den Fall als Inter-
regnum oder Zwischenherrschaft bezeichnet, dass während einesKrieges
sich der eine kriegführende Staat in den Besitz des feindlichen Staats-
so ist man in neuerer Zeit wieder dem entgegengesetzten Extreme verfallen
(S. bes. ZoeprL I. S.556ff., namentlich S. 559 und BrockHaus, Das Legitimitäts-
prinzip S. 322ff., im Uebrigen die Citate bei Brıe, Die Legitimation einer usur-
pirten Staatsgewalt, I. S. 26 ff), indem man allein den „Besitz“ als solchen (besser
wohl „die Innehabung“) der Staatsgewalt bei der Legitimation für das Rechts-
erzeugende erklärt hat. Mir scheint, als ob hierbei eine Verwechslung von Gewalt
im Staate mit Staatsgewalt, von physischer Macht mit rechtlicher Gewalt statt-
fände. Allerdings, wer die letztere verliert, ist auch nicht mehr Träger der Staats-
gewalt, Subjekt des obersten Staatswillens. Der Monarch kann das aber sehr
wohl bleiben, auch wenn ihm die Macht entrissen wurde, seine Gewalt aus-
zuüben. Die Innehabung der Staatsgewalt im Rechtssinne ist eben nicht blos die
rein äusserlich gedachte Möglichkeit der Herrschaft — andernfalls wäre der infans
auf dem Throne ebenfalls nicht Träger der Staatsgewalt. — Man sagt, beiläufig
bemerkt, besser Legitimation des Inhabers der Staatsgewalt, als Legitimation
der Staatsgewalt, denn diese ist dem Staate immanent, nur ihr Subjekt kann
wechseln.
1) Staatsarchiv III. S. 442 ff.
2) Vgl. HeetzBers, Geschichte Griechenlands, IV. S. 701 ff.
3) S. die Proklamation Isabellas vom 30. Septbr. 1868 bei Lauser, Geschichte
Spaniens von dem Sturze Isabellas bis zur Thronbesteigung Alfonsos, I. S. 59f.,
Staatsarchiv XV. S. 117f., vgl. auch Staatsarchiv XIX. S. 131 unten.