Full text: Das Interregnum.

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in räumlich getrennten Gebieten regieren. Bis auf Weniges streng 
angewiesen in der Austibung ihrer Befugnisse auf je einen Theil des 
sesamten Reichsgebiets, könnten sie im Lichte einer solchen Theorie 
höchstens als Monarchen je einer von der anderen streng gesonderten 
Reichsbälfte erscheinen: das Reich hätte hiernach seine Einheit verloren 
und wäre in zwei selbständige Reiche zerrissen. Eine solche Ungeheuer- 
lichkeit kann aus den Quellen nicht konstruirt werden; es wäre ja gar 
nicht erfindlich, aus welchem Rechtsgrunde diese beiden Staaten am 
Ende des Interregnums sich wieder vereinigten, und wie ihre beiden Ge- 
walten sich wieder zu einer einzigen Staatsgewalt zusammenschlössen, 
die nur einem einzigen, überdies durch einen von dem Willen der beiden 
vermeintlichen bisherigen Gewaltenträger ganz unabhängigen Willen 
erwählten Subjekte zusteht! Genau so verfehlt wäre die Ansicht, dass den 
Vikaren die Reichsgewalt gemeinschaftlich zustehe.!) Allerdings 
waren den Vikaren einzelne Vikariatsgerechtsame zu gemein- 
schaftlicher Ausübung gegeben: so die Ausschreibung, Haltung, 
Fortsetzung des Reichstags ?2), die Aufsicht und Visitation des Reichs- 
kammergerichts ?), wie überhaupt die Regelung aller über den dem Ein- 
zelnen unterstellten Kreishinausgehenden staatlichen Angelegenheiten.*) 
Dass ihnen aber darum etwa im Sinne eines aristokratischen 
Regiments die Reichsgewalt zugestanden hätte, dafür bietet sich in den 
Quellen nicht der geringste Anhalt. Die Reichsverweser haben niemals 
auf eine derartige Rechtsstellung ernstlich Anspruch erhoben, ge- 
schweige denn, dass ihnen jemals von den übrigen Reichsständen ein 
derartiges Zugeständniss gemacht worden wäre. 
Im Einzelnen aber — und das ist das Beachtenswertheste — sind 
den Vikaren eine Reihe von Regierungsrechten nicht zugestanden, 
was allein daraus erklärt werden kann, dass die Verweser des 
Reichs nicht die Inhaber seiner Gewalt sind. Die goldene Bulle 
(V, 1.2) verlieh ihnen überhaupt nur einzelne, besonders namhaft 
gemachte, wenn auch sehr wichtige Rechte. Deren Kreis ist erst all- 
mählich durch die Gesetzgebung, insbesondere die Kapitulationen, und 
durch Gewohnheitsrecht bedeutend erweitert worden. Die den Vikaren 
immerhin vorenthaltenen Befugnisse sind nicht allein persönliche Ehren-, 
sondern wesentliche Regierungsrechte des Königs. Mit dessen Ab- 
leben oder Verzicht hört sofort die Thätigkeit des Reichshofraths 
  
ı) Richtig Moser, Vom röm. Kayser u. s. w. S. 748; vgl. v. SaRToRL S. 56. 
2) W.K.a.XIll, $9 scit Karls VII. Wahlkapitulation. 
3) v. ABELE S. 107fl. 
4) v. ABELE S. 103f.; GoEnxneER S. 151.
	        
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