Full text: Das Interregnum.

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ohne männliche Leibeserben; seine Gemahlin Clementia, eine un- 
garische Prinzessin, sah bei seinem Tode ihrer Niederkunft entgegen. 
Bis diese eintrat und Gewissheit über Leben und Geschlecht der 
Leibesfrucht schuf, führte der Bruder Ludwigs, der nachmalige König 
Philipp der Lange, die königlichen Geschäfte (‚Il fit son office royal‘). 
Es ist zunächst zu bemerken, dass die Auffassung der Zeitgenossen 
trotz des Fehlens eines direkten Thronerben an dem Fortbestande 
der monarchischen Staatsform des französischen Reichs nicht 
zweifelte. Interessant ist z. B. ein Urtheil des conseil du roy aus 
dem Jahre 13161), das an einer Stelle sagt: 
„Que si tost qu’on commencera & &crire et a seeller au nom 
de celuy ou de ceux qui le Royaume de France deuront gouuer- 
ner, nous leur baillerons lettres seell&s des seaux du Gouuerneur 
ou des Gouuerneurs dessusdits.“ 
Beachtenswerth ist hierin vornehmlich die Thatsache, dass der 
Staatsrath die Krone des Reichs für vorläufig erledigt erklärt, dass 
er von dem Inhaber der königlichen Regierungsgewalt als von einer 
zukünftigen Person spricht und weder der ungeborenen Leibesfrucht ?) 
noch der Person des Reichsverwesers als Subjekten der Staatsgewalt 
gedenkt. Vielmehr führt Philipp die Regierung anstatt des fehlen- 
den Königs und zwar als Regent. Er erhält: „comme plus 
proche du defunt et presomptif heritier de la Couronne“ procura- 
tionem regni Franeiae Nauarraeque, donee Clementia pareret?), er 
titulirt sich und wird in einer Ordonnanz des Parlaments titulirt: 
Philippe, fils du Roy de France, gouuernant les royaumes de France 
et de Nauarre.‘) In einem Pakt mit den Grossen des Reiches wird 
bestimmt, Philipp sei regni Franeiae gubernator, beziehe als sol- 
cher königliche Einkünfte und habe der schwangeren Wittwe stan- 
desgemässen Unterhalt zu gewähren. Werde der erwartete Thronfolger 
ein Knabe, so bleibe Philipp Regent bis zur Volljährigkeit des 
zukünftigen Königs (regni guardiam retineret), sollte die Königin- 
Wittwe dagegen ein Mädchen gebären, „comes ex tunc pro Rege ab 
  
1) Du Puy, Traite de la majorite de nos rois p. 24. 72. 
2) An einer wenig ins Gewicht fallenden und überdies mebrdeutigen Stelle 
(Vieille Chronique de Flandre, chap. 57; du Puy p. 71) heisst es allerdings, Philipp 
habe sich huldigen lassen (se faire feauter) „au nom de son jeune neveu qui estoit 
droit Roy de France*. "m 
3) Papirius Massonius bei du Puy p. 71. 
4) Chroniques de St. Denys und Belleforest, Sur la fin de la vie de 
Louis Hutin bei du Puy p. 67. 71; Marrın, Histoire de France V p. 243.
	        
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