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jeder Organismus, ausgesetzt ist, — oft in schwieriger und entsagungs-
voller Arbeit, weil es niemals leicht ist, in äusserer Unordnung die
innere Ordnung des Rechts zu finden, und weil sich nirgends so wie hier
Thatsachen und Normen, Macht und Recht im Widerspruche befinden.
Staatliche Krisen giebt es in grosser Anzahl, verschieden an
Richtung. und Bedeutung. Nicht alle sind sie unmittelbar von
Einfluss auf das Recht des Staates und seine Ordnung. Viele be-
rühren zunächst lediglich das politische oder wirthschaftliche Leben
des im Staate geeinten Volkes — ihre Würdigung haben diese dann
hauptsächlich in den Wissenschaften der Geschichte und der politi-
schen Oekonomie zu finden. Viele dagegen schneiden so tief auch
in das Rechtsleben des Staates ein, dass sie neben anderer vornehm-
lich die rechtswissenschaftliche Betrachtung herausfordern.
Unter den kritischen Zeiten des Staates ist, als der kritischsten
eine, von hervorragendem Interesse für das Staatsrecht die Zeit des
Interregnums. Ihr sei die folgende Studie gewidmet.
Nothwendig ist es vor Allem, zu erklären, was unter Interregnum
zu verstehen sei; denn nicht immer und überall hat dieser Ausdruck
zur Bezeichnung ein und desselben Thatbestandes gedient. Dem Wort-
sinne nach bedeutet er eine — unregelmässige — Regierung zwischen
zwei — regelmässigen — Regierungen.!) In dieser Anwendung ent-
stammt der Name dem Rechtskreise des alten römischen Königthums
und kennzeichnete dort die Zeit zwischen dem Tode des einen und
‚dem Regierungsantritte des anderen Königs. Er fand dann im Staats-
rechte der römischen Republik Verwerthung und wurde schliesslich
typisch für die Zwischenregierungen im deutschen Wahlreiche der
mittelalterlichen und neueren Geschichte, wie überhaupt in allen
Wahlreichen. In neuerer Zeit hat man der Bezeichnung Interregnum
ein grösseres Anwendungsgebiet geschaffen und zwar zum Theil mit,
zum Theil ohne Recht. Mit gutem Grunde gebraucht man sie ausser
für die Zwischenreiche in der Wahlmonarchie für eine Reihe anderer
Perioden des staatlichen Lebens, die mit jenen gemeinsame charakte-
ristische Merkmale haben; für alle diese, und zwar noch mehr, als
bisher geschehen, den Begriff des Interregnums zu verwerthen, wird
eine Hauptaufgabe gerade dieser Arbeit sein. Es lässt sich ferner
nichts dagegen einwenden, dass man den Ausdruck Interregnum,
der sich ursprünglich nur auf den Staat bezog, in übertragener Be-
deutung, ohne aus der gleichmässigen Bezeichnung rechtliche Fol-
1) BoıssorLin in Blocks Dictionnaire general de la Politique DI, p. 113: „l’inter-
regne est l’intervalle d’un regne & l’autre.“