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Diese Ansicht, die, wie wir sahen, schon von KrAUT zurückgewiesen
wurde, steht ziemlich allein da; nur BrıE!) und SEYDEL?) haben sich
ihr angeschlossen. Dagegen wird sie von BORNHAR?) als dem monarchi-
schen Prinzip widersprechend bekämpft und hat ferner in HAnckE')
einen entschiedenen Gegner gefunden. Nach diesem ist weder die Kır-
CHENHEIMsche Lösung der Frage noch die Annahme, es sei der Embryo
selbst das Subjekt der Staatsgewalt, zu billigen. Er fordert vielmehr,
man solle nach Analogie der römischen eura bonorum ventris nomine
dem Embryo unter Anerkennung seiner Rechtsunfähigkeit
die Rechte „reserviren“, ohne sie doch einem Anderen provisorisch
zu libergeben, solle sie nur durch einen Anderen, einen Regenten, ver-
walten lassen. Zwar entbehrt die Staatsgewalt so zeitweilig ihren
Träger, aber das ist für die Existenz des Staates unschädlich. Denn
der Träger der staatsgewaltlichen Rechte ist für deren Fortbestehen
nicht so nothwendig, dass nicht einmal eine Ausnahme gemacht wer-
den könne. Wenn hier eine Regentschaft eingesetzt wird, so hat sie
allerdings einen anderen Charakter als die gewöhnliche; denn der
Regent regiert hier nicht an Stelle eines vorhandenen, sondern an
Stelle eines erwarteten, unbestimmten Monarchen. Diese Abweichung
verletzt aber den Begriff des Regenten nicht. — Auch DIECKMANN )
spricht sich gegen v. KIıRCHENHEIM aus. Er schliesst sich an die
Monusche Theorie an, indem auch er den Thron dem Embryo „offen
gehalten‘ und doch eine „Regentschaft“ eingesetzt wissen will. Aber
er weicht von MoııL und seinen Nachfolgern insofern ab, als er mit
aller Klarheit erkennt, dass hier ein Träger der Krone gar nicht vor-
handen sei, und als er für den Fall, dass kein successionsfähiges
Kind zur Welt kommt, den nächsten 'Thronberechtigten erst von dem
Zeitpunkte der Entscheidung an als Monarchen gelten lässt, eine
Rückdatirung des Thronerwerbs aber für ausgeschlossen erklärt. Die
Regierung während der kritischen Zeit kann man nach ihm, wie
auch immer der Ausgang sein möge, „unbeschadet der Idee von der
ununterbrochenen Dauer des Königthums als Regentschaft auffassen‘“.
BERNATZIK ®) endlich bemerkt, dass in dem Falle, wenn im Erbreiche
nach dem Tode des kinderlosen Königs seine Wittwe sich in schwange-
1) Grünhuts Zeitschrift VIII. S. 598.
2) Kritische Vierteljahrsschrift, N. F. IV. S. 451.
3) a. a. 0. S. 194.
4) Regentschaft und Stellvertretung S. 16 ff.
5) Regentschaft und Stellvertretung des Monarchen S. 13.
6) Republik und Monarchie S. 38.