II. Es fragt sich, wie die provisorische Regierung in denjenigen
Staaten zu bilden sei, die für diesen Fall eine verfassungsgesetzliche
Bestimmung nicht in Geltung haben. Für die Fälle, in denen das
Interregnum durch die Schwangerschaft der Monarchenwitwe her-
vorgerufen wird, erscheint es als das Natürlichste, dass diejenige
Person zur Reichsverwesung gelangt, die zur Regentschaft berufen
sein würde, falls die ungeborene Leibesfrucht zur Zeit des Wegfalls
des bisherigen Fürsten als successionsberechtigte Persönlichkeit schon
vorhanden wäre, und die, falls eine solche Persönlichkeit nicht zu
erwarten stünde, als Monarch selbst an die Stelle des weggefallenen
treten würde. Denn es ist angemessen, dass von demjenigen, dem,
wie auch immer die Entscheidung über das zukünftige Subjekt der
Staatsgewalt ausfallen möge, nach dieser Entscheidung sicherlich die
Regentschaft oder die Krone selbst, in jedem Falle also mindestens
die thatsächliche Ausübung der Regierungsgewalt zufallen wird, auch
bis zu dieser Entscheidung die provisorische Leitung der Staatsge-
schäfte besorgt wird. Dieser Meinung sind denn auch für den ange-
führten Fall die meisten Schriftsteller, welche sich mit der Frage be-
schäftigen.'!) Wie aber, wenn eine solche Persönlichkeit nicht gegeben
ist, und wie in allen anderen Fällen des Interregnums?
Eine analoge Anwendung der im Vorgehenden angegebenen aus-
drücklichen Verfassungsbestimmungen in Staaten, die solcher er-
mangeln, ist als willkürlich von vornherein abzulehnen, insbesondere
weil der dortselbst fast durchweg der Volksrepräsentation zugestan-
dene sehr weitgehende Einfluss auf die Bestimmung der Regierungs-
verwesung nicht dem Geiste aller und jeder Verfassung entspricht. Nur
wo die Verfassungen ausdrücklich die Volksrepräsentation zur Bestim-
mung des Subjekts der Regentschaft bei Regierungsunfähigkeit des
Monarchen berufen, muss das Analoge für die Bestimmung des Subjekts
der provisorischen Regierung im Interregnum gelten. Sonst aber
scheint es natürlicher zu sein, dass im Mangel gesetzlicher Anordnung
die provisorische Regierung von den Personen geführt wird, die be-
reits beim Vorhandensein des Monarchen — in dessen Namen —
mit der obersten Leitung der Staatsgeschäfte betraut waren. Es ent-
spricht dies am besten dem Bedürfnisse des vor gewaltsamer Störung
und Unterbrechung des regelmässigen Geschäftsganges möglichst zu
verschonenden Staatslebens, insofern bei der Fortführung der Staats-
geschäfte durch die bereits im Amte befindlichen obersten Staatsdiener
1) Wenn auch je nach ihrer Rechtsauffassuug in verschiedener Begründung.
S. die Citate oben S. 58ft.