Für alle andern Staaten stehen die Ansichten der Schrift-
steller auf dem Standpunkt, den die Pflichten des verfassungs-
mäßig regierenden Fürsten dem Staate gegenüber vorschreiben.
Von dem erwähnten Standpunkte ausgehend, sind zwei Auf-
fassungen möglich und bekannt geworden. Beiden gemeinsam ist
der Grundgedanke, daß das Staatsgrundgesetz ein für allemal
die Thronfolge festgesetzt hat. Hiernach stellt das Gesetz jede im
Herrscherhaus geborene Person an die ihm in der Nachfolge-
ordnung zukommende Stelle. Von hier aus trennen sich aber
die Wege. Die eine Ansicht, nur von wenigen Schriftstellern
vertreten, bejaht die Frage der Thronfolgeablehnung eines An-
wärters. Rehm (Modernes Fürstenrecht, 1904, S. 40 1ff.),
von Gerber (Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 3. Aufl.,
S. 92, Anm. 8) und von Anschütz (Deutsches Staatsrecht in
Kohlers Enzyklopädie, 7. Aufl., IV. Bd., S. 132) halten die
Zulässigkeit der Thronfolgeablehnung für unbedingt gegeben.
Meyer-Anschütz (Lehrbuch, 6. Aufl., S. 275) erklärt dabei
zwar den Thronanwartschaftsverzicht für zulässig, die Inkonsequenz
seiner Doktrin geht aber schon aus folgendem Zusatz hervor:
„Der Verzicht auf die Thronfolge kann auch schon vor Antritt
der Regierung ausgesprochen werden, er besitzt jedoch in diesem
Fall keinerlei bindende Kraft und darf in jedem Augenblick zu-
rückgenommen werden.“ Dadurch wird die Thronfolgeablehnung
der Anwärter für beliebig widerruflich erklärt, was aber mit den
konkreten politischen Interessen und mit den Grundsätzen des
Staatsrechts unvereinbar ist; denn die genau festgelegte Fort-
setzung der Thronfolgeordnung in den Verfassungen hat doch
gerade den Zweck, jede Unsicherheit über das Thronfolgerecht zu
beseitigen und Thronfolgestreitigkeiten möglichst aus der Welt zu
schaffen. (Anschütz hat seine Ansicht auch bereits wieder auf-
gegeben ([Enzyklopädie, Bd. IV, S. 133.).
Ferner versucht von Schiller 7) die von uns abgelehnte
Ansicht zu stützen, indem er noch einen Schritt weitergeht. Er
77) Thronverzicht S. 109.