Uber den Unterricht selbst wüßte ich aus eigener Erinnerung
kaum noch etwas zu berichten, und bestenfalls wäre dieses durch den
Anschauungswandel im späteren Leben getrübt und verzerrt. Es er-
scheint mir daher am besten, wenn ich statt dessen die Worte meines
Curriculum vitae hierhersetze, die getreu meine damalige Anschauung
wiedergeben. Ich setze mit der Stelle ein, die sich an die vorhin
erwähnte über Sallust anschließt:
«Später lasen wir eine Rede Ciceros, „Pro lege Manilia“ oder
„de imperio Cn. Pompeji“, welche ich für die einzige halte, in welcher
Cicero weniger von sich als von dem Gegenstand seiner Rede spricht.
Im Griechischen lasen wir den Homer, da frischte ich alle meine
alten Vorstellungen von dem antiken Griechentum in wohltuender
Weise wieder auf. Die schönen Gleichnisse aus der Natur, die
Schilderungen der Helden, ihrer Taten und Kämpfe, das alles war
es, was mich hinriß und mich unwiderstehlich an den Homer fesselte.
Und nun kam noch die schöne äußere Form des Gedichtes hinzu,
die einfachen und doch großartigen Hexameter, wie vortrefflich schienen
dieselben geeignet, die großen Ereignisse wiederzugeben, welche sie
schildern sollten! Ich finde und bleibe dabei, daß nichts über die
griechische Sprache geht und in der griechischen Sprache nichts über
den Homer, und zwar über seine Ilias.
Zu Ostern wurde ich mit meiner Klasse in die Unterprima ver-
setzt. Hier begannen wir beim Herrn Direktor die Lektüre des Horaz,
eines Dichters, für welchen wir alle nach wenigen Tagen schon be-
geistert waren, und in welchem wir endlich den größten römischen
Schriftsteller kennen lernten. Da außerdem mit der Erklärung der
Oden auch etwas Kunstgeschichte verbunden war, so war es für mich
doppelt interessant, weil ich die Kunstgeschichte sehr gern hatte und
wesl ich manches NWeue dabei lernte. Hlerbei kamen mir die Vor-
träge des Professors Bötticher vom Berliner Museum über die
Architektur und Bildhauerkunst der Griechen und Römer sehr zu-
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