Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

In der Geschichte wurde das Zeitalter der Reformation durch- 
genommen und der Anfang vom 30 ährigen Kriege. Obwohl diese 
Periode auch höchst interessant ist, so habe ich sie doch nicht ganz so 
gern, weil schon der Anfang des Verfalles des deutschen Reiches 
sich bemerkbar macht, dagegen in der Nitterzeit das schöne Römische 
Reich Deutscher Nation so recht in seiner Kraft und Fülle war und 
an der Spitze der ganzen damaligen zivilisierten Welt.2 
* 
* 3 
Nicht erwähnt wurde von dem Oberprimaner in seinem „Lebens- 
lauf“, daß, wie er bitter empfand, der Geschichtsunterricht mit dem 
30sährigen Kriege aufhörte und daß von dem wetteren Gang der 
Entwicklung nichts mehr gelehrt wurde, geschweige denn von der 
Gegenwart. Es ist nicht zu leugnen, daß der Geschichtsunterricht 
nicht auf der Höhe stand, die für ein preußisches Gymnasium verlangt 
werden muß zum Nachteil der vaterländischen nahm die griechisch- 
römische Geschichte den weitaus größten Raum ein. Aber auch diese 
beschränkte sich hauptsächlich auf die Aufzählung von Tatsachen, 
während die Charakteristik von Herrschern und Staatsmännern, so- 
wie Beschreibung der Sitten, Gebräuche und des Gelsteslebens der 
Völker sehr stiefmütterlich behandelt wurden. Die vaterländische 
Geschichte wurde nur recht allgemein vorgetragen, ohne Begessterung 
für den nationalen Gedanken erwecken zu wollen. Die Schuld lag 
am System des Lehrprogramms, nicht an dem sehr tüchtigen Historiker 
Dr. Hartwig, der in späteren Zekten nach der Schulreform der Leiter 
des ersten Reformgymnasiums wurde. 
Der andere Vorwurf, den ich dem damaligen Gymnastum mache, 
lautet dahin, daß die Erziehung unter vorwiegend philologischem 
Einfluß auch einen philologischen Charakter erhielt. Ich habe während 
melner Schulzest beobachten können, daß zwar große Begetsterung 
für 1870/71 und für das neue Resch in den Knaben vorhanden 
132
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.