war, daß aber die richtige Grundlage für das Deutschtum, das Gefühl
„civis Germanus sum“, wie ich es später dem deutschen Volke zu—
rief, noch durchaus fehlte. Eine solche zu schaffen und in die jungen
Herzen zu legen, dazu war bei dem verknöcherten altphilologischen
Lehrplan die Lehrerschaft außerstande. Das Herz, der Charakter der
Gymnasiasten spielten bei der Art der Lehrmethode keine Rolle, nur
das Gehirn wurde bearbeftet. Es wurden Bhilologen ausgebildet,
aber keine für praktische Mitarbeit am jungen Reich geeigneten deutschen
Staatsbürger, mit anderen Worten: keine selbstbewußten Deutschen. In
unserem kleinen Lesezirkel habe ich oft versucht, den großdeutschen Ge-
danken zu behandeln, um partikularistische und andere der deutschen
Idee entgegenstehende Neigungen zu bekämpfen. Aber vergeblich.
Schließlich war das bekannte „Buch der deutschen Flotte“ von Admiral
Werner das einzige Werk, womit das lebendige Empfinden für das
Deutsche Reich entflammt werden konn#te. Wenn ich in späterer Zeit
englische Schüler sah und die sportlich erstarkten Knaben z. B. in
Eton im Geliste mit meinen einstigen überstudierten Kameraden ver-
glich, dann fiel dieser Vergleich nicht zu meiner Freude aus. Die
jungen Briten, die von Eroberungen in den Kolonken träumten, von
Ezpeditionen zur Erforschung neuer Länder, von Ausbreitung des
Handels, und die Pionkere ihres Vaterlandes sein wollten nach dem
Wort: „Right or wrong — my Country)“, sie hatten sehr viel weniger
Latein und Griechisch gelernt, waren aber von dem Gedanken beseelt,
Großbritanntien noch größer und stärker zu machen. Soviel wurde
mir nachmals mit aller Deutlichkeit klar: der philologische war nicht
der Weg, um selbstbewußte Deutsche zu bilden, die an Stolz mit
den Bürgern anderer Nationen wetteiferten und das „cwvis Romanus
sum“ auf sich übertrugen, um zu lebendigen Faktoren des Deutsch-
tums zu werden.
Aus diesen Uberlegungen heraus erkämpfte ich später gegen den
Widerstand der Philologie innerhalb und außerhalb des Ministeriums
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