Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

er sei. Lange sprach er dann mit mir über die schwierige Lage, in 
die unser Vaterland gerate: der Kaiser 90 Jahre alt und damals 
sehr leidend, der Thronerbe hoffnungslos dem Tode entgegensiechend. 
Wie die Dinge nun einmal lägen, müßte ich ihnen fest ins Auge 
sehen und mich bereit halten, die Last der Regierung in absehbarer 
Zeit auf mich zu nehmen. Wir sprachen dann besonders über das 
Verhälenis des Kaisers zu den Bundesfürsten, das beim Ubergang 
der Krone auf einen verhältnismäßig noch fungen Erben leicht zu 
Schwiersgkeiten führen könne. Roggenbach riet mir, ich solle bereits 
jetzt efne Broklamation an die Bundesfürsten für den Fall der Re- 
gierungsübernahme durch mich vorberesten, in der ich meine und ihre 
Stellung sowie das Berhältnis beider zueknander präazisieren solle, 
wenn plötzlich die Ereignisse einträten, sei es zu spät. Bekanntlich hat 
die Ausführung dieser Anregung mir das Mißfallen Fürst Bismarcks 
zugezogen, dem ich lopalerweise meinen Entwurf zugeschickt hatte. 
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Nachdem das offlzkelle Berdikt Klarhett über den Zustand meines 
armen Baters geschaffen hatte, erachtete es Fürst Bismarck für not- 
wendig, angesichts der offensichtlich zunehmenden Hinfälligkeit des 
greisen Kaisers, die sich in häufigen Schwächeanfällen äußerte, mir 
dessen Stellvertretung zu übertragen. Besonders das Militärkabinett 
drängte darauf, den Kaiser von den zahlreichen Unterschriften zu 
entlasten, damtt die Geschäfte nicht aufgehalten würden. Mein 
Großvater unterzeichnete die Order am 17. November, sie hatte 
folgenden Wortlaut: 
*In Anbetracht der Wechselfälle meiner Gesundhett, 
welche mich vorübergehend zur Enthaltung von Geschäften 
nötigen, und in Betracht der Krankheit meines Sohnes, des 
Kronprinzen, beauftrage ich Eure Königliche Hoheit in 
allen Fällen, wo ich eine VBertretung in den laufenden Re- 
gierungsgeschäften und namentlich in der Unterzeichnung 
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