war das erst im verflossenen Oktober gewesen! Die Schwächeanfälle
häuften sich mehr und mehr, und die Arzte urteilten, daß das Leben
des nun fast 01jährigen alten Herrn wohl in kurzem einmal verlöschen
würde. Zwei Ereignisse sollten ihm noch seinen Abend verdüstern.
Das eine war der hoffnungslose Zustand des Kronprinzen. Am
O. Februar hatte nun doch der Luftröhrenschnitt gemacht werden
müssen, um den Kranken vor dem Ersticken zu schützen, und seitdem
trug er eine silberne Kanüle in der Luftröhre. Oft verlangte der
Kaiser weinend nach dem Sohn und nach dem Erben seiner Krone —
aber der war fern. Aus San Remo kamen immer beunruhsgendere
Nachrichten, und viele fürchteten schon, der deutsche Kronprinz würde
außerhalb des Heimatbodens hinscheiden. In dieser Situation er-
teilte mir mein Großvater Ende Februar den Befehl, nach San
Remo zu fahren und die möglichst schnelle Rückkehr meines Baters
nach Deutschland zu veranlassen.
Da traf ihn noch das zweite traurige Ereignis. Am 23. Februar
starb plötzlich der Sohn der Großherzogin Luise, Brinz Ludwig von
Baden. Diesen Enkelsohn, einen prachtvollen frischen jungen Mann
und strammen Soldaten, der mit meinem Bruder Heinrich eng be-
freundet war, hatte der Kaiser sehr in sein Herz geschlossen. So
mußte sein Tod in der Blüte der Jugend ihn tief erschüttern.
Ich erhikelt nun Befehl, zunächst zu den Beisecgungsfeierlichkeiten
nach Karlsruhe zu fahren, um den Kaiser zu vertreten, und von dort
aus ungesäumt nach San Remo weiterzureisen, um den erwähnten Auf-
trag auszuführen. Am 2. März traf ich wieder in der Villa Zirfo ein.
Der Anblick meines BVaters war herzzerreißend. Die hohe Stieg-
friedgestalt zeigte in ihrer starken Abmagerung und der gelben Ge-
sichtsfarbe unverkennbar den schnellen Fortschritt der Krankheit, fort-
während plagte ihn Hustenreiz, und über die Lippen kam kein Wort,
sein Mund war bereits für immer verstummt. Schnell hingeworfene
Notizen auf kleinen Zetteln mußten die Sprache ersetzen, soweit das
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