Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

gemauerten halbkreisförmigen Zahnbogen lief, leicht reguliert wurde, indem 
an jeder Seite der Lafette je 2 Nummern mit Kurbeln arbeiteten. Darauf 
stellte der Geschützkommandeur sein Ziel fest ein, und so war das Geschütz 
zum Schuß bereit. Das Laden hatte 3 Minuten beansprucht, das Zielen 
und Einrichten eine Minute. Nachdem das Geschütz schußfertig gemacht war, 
wurden von beiden Seiten schwere Vorhänge aus 2 Zoll dickem Hanftau- 
geflecht vor die Scharte geschoben, so daß nur noch die Mündung des aus- 
gerannten Geschützes frei blieb. Diese VBorhänge heisßen „MWantelets“ und 
sollen das Hereinziehen des Rauches nach dem Schuß verhindern. Aus- 
gerannt wird das Geschütz, indem es hinten durch hodraulischen Druck etwas 
gehoben wird und dann auf dem nach vorn geneigten Rahmen herabläuft. 
Eingerannt wird das Geschütz durch den eigenen Rücklauf, der schon durch 
das Ansteigen des Rahmens, hauptsächlich aber durch den Widerstand des 
Glozerins in dem unter dem Geschützrohr befindlichen Stempel, gehemmt 
wird. 
Das Entladen bot ziemlich dasselbe Bild wie das Laden, nur daß die 
beiden Mummern in der Scharte sich mit den Güßen gegen die Mündung 
stemmen mußten und buchstäblich fast auf dem Rücken lagen, um das kolossal 
schwere Geschoß wieder herauszubekommen. Ich stieg nun auf das Dach. 
An der inneren Seite des nach allen Richtungen hin abfallenden, glacisartig 
gewölbten Daches lief ringsherum in Brusthöhe gedeckt ein eiserner Balkon 
Auf diesem soll der Kommandeur des VForts sowie mehrere Offiziere stehen 
und über die Brüstung hinwegschauend das Feuer der untenstehenden Ge- 
schütze leiten. Zu diesem Zweck sind an den verschiedenen Hauptstandplätzen 
in der Mauer Sprachrohre angebracht, welche direkt mit dem betreffenden 
Geschütze — resp. dessen Kommandeur — in Berbindung stehen. Auf dem 
Dache selbst sind in verschiedener Olfarbe gerade Hinien gezeichnek, welche 
genau mit der Bisterlinie des unten stehenden Geschützes korrespondieren 
diese Linien sind genau auf die Hauptzielpunkte eingestellt, welche schon vor- 
handen sind. Mebenstehende Zeichnung soll dieses ungefähr wiedergeben. 
Wenn man im ganzen noch einen Rückblick auf die vorhergegangene 
Beschreibung wirft, so wird man sich, glaube ich, doch wohl sagen, daß trotz 
aller Vorteile, die das Borderladerspstem haben mag (für den, der mit dem- 
selben aufgewachsen und eingeübt ist), es hier sehr starke Schattenselten zeigt, 
ja sogar vielleicht als unpraktisch bezeichnet werden muß. Wenn z. B. im 
Moment des Ladens, wo der Wischer so weit außen hängt, eine Granate oder 
nur ein größeres Sprengstück derselben in die Scharte träfe, so würden nicht 
nur die beiden dort sitzenden Wummern getötek, sondern aller Wahrscheinlich- 
keit nach der Wischer auch zerschmettert werden, und dadurch der Gebrauch des 
Geschützes auf mehrere Minuten unmöglsch gemacht werden! Oder wenn 
#im Moment, in dem das Geschoß mit dem Flaschenzuge vor die Mündung 
gehoben wird, ein Sprengstück das eine Tau desselben zerrisse, so würde das 
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