Das tägliche Leben spielte sich in ziemlich engem Rahmen ab.
Im Winter wohnten wir im Kronprinzenpalals in Berlin, mein
Zimmer lag im oberen Stock, an der Ecke nach der Oberwallstraße.
Hier in Berlin kamen wir uns immer fast wie Gefangene vor.
Denn die Großstadt mit ihrem steinernen Weer, fernab der Natur,
ist nichts für die Jugend. Wie groß war daher unsere Freude, wenn
e5 im Frühling nach Botsdam ging! Wochenlang vorher freuten
wir uns schon auf den Augenblick, da der große Umzug nach dem
Neuen Palais vor sich gehen sollte — in die Freiheit! Und wie
groß war unser Schmerz, wenn es im Spötherbst wieder zurück
nach Berlin ging! Potsdam ist meine zweite, und ich muß sagen
liebere Heimat gewesen, hier habe ich mich wohl gefühlt. An das
kleine einfache Mansardenzimmer im zweiten Stock des Neuen Palais
mit seinem „Ochsenauge“ denke ich oft voll stiller Wehmut zurück.
Ich habe schon dargestellt, daß die Zeit von morgens 0 Uhr
— im Winter 7 Uhr — bis zum späten Abend von der Arbeit ganz
in Anspruch genommen war. Das Frühstück nahmen wir immer
mit unseren Eltern gemeinsam ein, das Mittagessen nur dann, wenn
keine Gäste geladen waren. Waren Ferien oder nachmittags schul-
frei, so machten meine Eltern, oder mein Bater allein, mit uns
Spazkergänge in die nähere und weitere Umgebung der schönen
Havelstadt. Dann besichtigten wir unter Führung meines historisch
interesskerten Baters die Schlösser Botsdams, vor allem Sanssoucit
und das Stadtschloß, oder standen in der Garnisonkirche an der Gruft
des Großen Königs. Oder wir machten Ausflüge nach Bornstedt,
nach dem Wildpark, nach dem Pfinzzstberge, nach den Fuchsbergen
oder nach der geltebten Pfaueninsel. Auf dieser lieblichen, von Er-
innerungen an meine Urgroßmutter, die Königin Lutse, erfüllten Insel
weilten wir besonders gern. Mit Vergnügen erinnere ich mich noch
des Ehepaares Friedrich dort, der Mann war Maschinenmeltster, sie
eines der Potsdamer alten Orlginale und Besttzerin einer umfang-
34